Heinz Strunk: „Ein Sommer in Niendorf“

Heinz Strunk: "Ein Sommer in Niendorf"
Die Legende vom unheiligen Trinker … Spiegel Belletristik-Bestseller (25/2022)

In der Literatur lassen sich einige Trunkenbolde ausfindig machen. Manche verbrieft wie William Faulkner oder Ernest Hemingway. Manche unterstellt wie Emily Dickinson oder Ingeborg Bachmann. Andere explizit wie Hans Fallada mit Der Trinker oder Eugen Egner und seinem Kurzroman Aus dem Tagebuch eines Trinkers, oder implizit wie Joseph Roth in seiner Novelle Die Legende vom heiligen Trinker. In Strunks kurzem Roman Ein Sommer in Niendorf dreht sich auch alles um Alkohol. Zwar mischt noch die Gruppe 47 mit, gesellt sich Thomas Mann, Paul Celan und Ingeborg Bachmann hinzu, aber im Grunde geht es schlicht und ergreifend um das Saufen eines Protagonisten namens Roth:

Die Sonne sinkt in Tönen von geronnenem Rot und geht allmählich in eine weiche verhauchende Mattigkeit über, der Strand saugt sich im Dämmer mit Licht voll. Schön ist das. Roth nickt wieder ein. Als er aufwacht, ist die Röte des Himmels auf einen schmalen Streifen über dem Horizont reduziert. Das Dunkel ringsherum wird dichter, und der Himmel vergrößert sich, als würde er mit der ausgebrannten Schlacke angefüllt, aus der das Universum gemacht ist.

Heinz Strunk aus: “Ein Sommer in Niendorf”
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Emmanuel Carrère: „Yoga“

Reise zu sich selbst … Spiegel Belletristik-Bestseller 15/2022

Rastlose Romane erscheinen gegenwärtig zuhauf. Der diesjährige Gewinner des Preises der Leipziger Buchmesse, Tomar Gardi, hat mit Eine runde Sache ein Hypergeschwindigkeitsroman hingelegt. Heinz Strunks Es war immer so schön mit dir fackelt nicht lang und schmeißt einen sofort mitten ins Geschehen. Florian Illies Liebe in Zeiten des Hasses jagt von einer VIP-Anekdote zur nächsten, und Michel Houellebecq macht mit der Welt und seinem Schreiben in Vernichten kurzen Prozess. Nun ist aber mit Yoga ein Roman von Emmanuel Carrère erschienen, der auf Langsamkeit aus ist. Macht sich Yoga also wirklich auf die Suche nach einer verlorenen Besinnlichkeit in Zeiten von Bits und Bytes oder zelebriert es doch nur unter dem Deckmantel der Zurückgezogenheit eine Esoterik im Schweinsgalopp?

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Martin Walser: “Das Traumbuch”

Walser, nur ein klein bisschen leiser.

Alterswerke präsentieren sich oft eigenwillig und aufmüpfig. In ihnen wird kein Blatt mehr vor den Mund genommen. Sie geben dann noch mal alles, resümieren, rekapitulieren und ziehen alle Register. Manche Alterswerke jedoch nicht. Martin Walsers Das Traumbuch – Postkarten aus dem Schlaf gehört zu diesen, wie auch Herta Müllers spartanisches Der Beamte sagte oder Friederike Mayröckers entschlossenes da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete. Auch wäre da noch Helga Schuberts sanftes Vom Aufstehen und Irvin D. Yaloms und Marilyn Yaloms rührendes Unzertrennlich zu nennen. Walser stellt sich in diese Reihe, versöhnt mit sich und der Welt:

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