Susanne Abel: „Stay away from Gretchen“

Stay away from Gretchen
Dokument eines Traumas … Spiegel Belletristik-Bestseller 35/2021

Das, neben Juli Zehs „Über Menschen“, die Bestseller-Listen in diesem Jahr dominierende Buch „Stay away from Gretchen – Eine unmögliche Liebe“ von Susanne Abel liest sich zwiespältig. Unbedarft und unvoreingenommen handelt es sich um einen Roman. Um was sonst?! Es wird die Liebesgeschichte zwischen Greta und Robert erzählt, sie, eine weiße deutsche, Adolf Hitler anhimmelnde Vertriebene, er ein schwarzer US-amerikanischer, Jazztrompete spielender Soldat stationiert in Heidelberg, wo sie sich im Nachkriegsdeutschland kennenlernen und ineinander verlieben. Beide arm, mittellos und weitestgehend den gesellschaftlichen Mächten ausgeliefert, die es nicht gut mit ihnen meinen, ein Romeo-und-Julia-Plot, wie er im Buche steht. Liest man aber genauer, so drängen sich ungewollt eine Menge von Fragen auf, kreisende, nicht enden-wollende Gedanken darüber, was eigentlich ein Buch von einem Roman unterscheidet, wann ein Text Literatur, wann ein Bericht eine Erzählung, wann etwas Fiktion, wann Protokoll, wann Dokumentation ist und wird. „Stay away from Gretchen“, so zeigt sich, schwebt windschief zwischen allen Kategorien und gehört weder in die eine noch in die andere. Es ist fast im guten wie im schlechten lebendige, zwischen Gelingen und Scheitern pendelnde Kommunikation – ein Anwesenheitsbericht.

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Eva Menasse: „Dunkelblum“

Gähnende Abgründe im Burgenland … Spiegel Belletristik-Bestseller (36/2021)

Eva Menasses Roman „Dunkelblum“ handelt von den Ereignissen und Geschichten in einem fiktiven österreichischen Dorf nahe der ungarischen Grenze. Die Lokalisierung des Dorfes zeigt bereits, dass das Dorf zwar fiktiv, aber dennoch in die europäische Realität und Geschichte eingebettet ist. Anhand der Geschicke fiktiver Figuren wird das zwanzigste Jahrhundert Mitteleuropas aufgerollt. Schnittstellen, Schmerzhaftes kommt zur Sprache. Als Romangegenwart wählte Menasse das Jahr 1989, als die ersten DDR-Bürger über die österreichisch-ungarische Grenze fliehen und sich das Ende der DDR anbahnt. Vor diesem Hintergrund werden nun alle Fäden aufgenommen, lässt der Roman noch einmal alles Revue passieren, was gemeinhin als zeitgenössische Geschichte bezeichnet wird. Leicht und überschaubar bleibt dabei nichts.

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Alena Schröder: „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“

Geheimnisvoll in unentschiedener Traurigkeit. (Spiegel Bestseller-Belletristik 10/2021)

Der Roman von Alena Schröder erlaubt von Anfang an mehrere, völlig verschiedene Lesarten. Einerseits siedelt er sich im Themenbereich Aufarbeitung der bundesdeutschen Nationalsozialismus-Vergangenheit an. Andererseits beleuchtet er die Frauen-Emanzipationsprozesse von Anfang der 1920er Jahre bis zur Gegenwart mittels der vier, die Erzählung tragende Frauengestalten. Man kann den Roman selbstredend darüber hinaus als Kriminalgeschichte lesen oder als Selbstfindungsprozess einer jungen Germanistikdoktorandin innerhalb einer komplexen Familienvergangenheit voller verpasster Chancen, Scham, voller nachtragender Schuld und Traurigkeit.

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