Rhea Krčmářová: “Monstrosa”

Monstrosa
Monstrosa … ungeminderte Lebensbejahung.

Die enge Lokalisierung in Zeit und Raum, wie bei einem Kur- oder Krankenhausaufenthalt, führt zu Ausbruchsphantasien und surrealistischen Aufbegehrungsdynamiken bei der eng aufeinander bezogenen, sich gegenseitig nicht entkommen könnenden Beleg- oder Patientenschaft. Literarische Beispiele finden sich in Thomas Manns Beschreibung des Schneesturmes in Der Zauberberg, in Olga Tokarczuks Empusion, in welchen jedem Spätherbst eine Art Opferfest unter den Kurgästen ausbricht, oder auch Rainald Goetz‘ Roman Irre, wo der Arzt selber ausbricht und es nicht mehr aushält. Mit Bettina Wilperts Herumtreiberinnen hat Rhea Krčmářovás Monstrosa gemein, dass hauptsächlich die Gruppendynamik junger Frauen narrativ bearbeitet wird. Bei Wilpert in den sogenannten Tripperburgen, bei Krčmářová im Klinikum Gertraudshöhe, nahe Wien, wo Wege aus Essstörungen heraus gesucht werden:

An das, was danach passiert war, hatte ich mich nur in Bruchstücken erinnern können: zusammengekauert am Fliesenboden im Bad sitzen, sich das Leid aus dem Leib würgen, hoffen, dass der grobe Brei aus Essen, Trauer und Magensäure die Stimme nicht allzu sehr angreift. Danach den Kühlschrank plündern wollen, leer vorfinden, spüren, wie das Loch sich bis ins Unendliche ausdehnt. Aufstehen, in mein Zimmer gehen, den Klavierdeckel öffnen, wo alles in der WG Verbotene versteckt war. Chips in meinen Mund schieben, zwei Tüten, nicht schmecken, ob das Paprikaaroma war oder Zwiebel oder Sauerrahm, dann noch eine Packung Kekse, halb gekaut im zitternden, schmerzenden Magen, gegen das Loch ankämpfen, für einige Minuten zumindest. Dann wieder würgen, alles entleeren. Die Monster blubbern und lachen hören.

Rhea Krčmářová aus: „Monstrosa“
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