Heinrich Mann: „Der Untertan“

Der Untertan
Der Untertan von Heinrich Mann. Wilhelminisches Gruselkabinett ersten Ranges.

Der Untertan von Heinrich Mann gehört zu den bekanntesten Satiren der deutschsprachigen Literatur. Neben Jean Paul in Siebenkäs, Karl Kraus in Die Dritte Walpurgisnacht und Erich Kästner in Fabian – Die Geschichte eines Moralisten verwendet auch Mann diese literarische Form als ästhetisches und soziales Korrektiv, bestimmte herrschende Zustände anzuprangern. In Der Untertan wird der wilhelminische Geist der Jahrhundertwende karikiert und konnte, obzwar bereits 1914 beendet, wegen der Schärfe der Kritik und Polemik erst 1918 nach Aufhebung der kaiserlichen Zensur erscheinen, traf sodann jedoch den Zeitgeist und avancierte zu einem der erfolgreichsten Nachkriegsromane mit einer Auflage bis 1931 von über 260000 Exemplaren1. Heinrich Manns Satire überzog das bereits untergegangene Kaisertum nochmals mit beißender Häme:

Diederich schwenkte den Hut, er brüllte auf, daß die Herren im Wagen ihr Gespräch unterbrachen. Der rechts neigte sich vor — und sie sahen einander an, Diederich und sein Kaiser. Der Kaiser lächelte kalt prüfend mit den Augenfalten, und die Falten am Mund ließ er ein wenig herab. Diederich lief ein Stück mit, die Augen weit aufgerissen, immer schreiend und den Hut schwenkend, und einige Sekunden lang waren sie, indes ringsum dahinten eine fremde Menge ihnen Beifall klatschte, in der Mitte des leeren Platzes und unter einem knallblauen Himmel ganz miteinander allein, der Kaiser und sein Untertan.

Heinrich Mann aus: „Der Untertan
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