
Die Kunst, die Sprache, die Poesie bietet ein Medium, um in der Fremde ein Selbstverständnis zu erringen. Zeugnisse dieser Befreiung besitzen eine eigene Intensität und Leuchtkraft. Die Dringlichkeit der Sprache bricht eingefahrene Denkmuster. Sie eröffnet Spielräume, und in diesen bewegen sich neue Motive, Stile, Ausdrucksweisen. Dinçer Güçyeters Unser Deutschlandmärchen verarbeitet eine solche kulturelle Abstands- wie Inbesitznahme. In seinem Roman, der nur mit viel gutem Willen ein Roman, mehr ein Prosagedicht ist, läuft alles auf den Zauber und Freude der geretteten Zunge hinaus. Nichts als das Eigene, nichts als das Empfundene soll bleiben und das eigene Leben besingen:
„Dinçer Güçyeter: „Unser Deutschlandmärchen““ weiterlesenMit Versen noch den Intellekt beweisen zu wollen, das erschreckt mich jedes Mal. Wenn du als Gastarbeiterkind die gesamte Jugend damit verbracht hast, deinen Lehrern, den Vorarbeitern, Dozenten etwas zu beweisen, dann steckt irgendwann diese Kerbe tief im Fleisch, und für den Rest des Lebens kämpfst du damit, die Wunde zu heilen, dich zu befreien. Das Resultat meines kleinen Widerstands: Nichts kommt auf das Blatt, was auf meiner Haut keine Spuren hinterlassen hat.
Dinçer Güçyeter aus: “Unser Deutschlandmärchen”