Esther Kinsky: „Rombo“

Rombo
Dem Schrecken eine Stimme gegeben … Longlist des Deutschen Buchpreis 2022

Die Kategorie, unter der Esther Kinskys neuester Roman Rombo gemeinhin geführt wird, lautet „nature writing“, was auf einen beschreibend-wissenschaftlichen Stil hinweist, eine Art dokumentarischer Poesie. Als Pate für diesen Stil stehen Alexander von Humboldt, Jean-Jacques Rousseau oder Henry David Thoreau. Im Gegensatz zu diesen, die mehr theorie- und reflexionslastig schreiben und der Theorie im Allgemeinen und Besonderen zugeneigt sind, weist sich Kinskys Rombo im Gegensatz zu Die Träumereien des einsamen Spaziergängers oder Walden als echter Roman aus, mit Handlung, mit Dramaturgie, Personal und sprachlicher Komposition. Er behandelt das Erdbeben im norditalienischen Friaul am 6. Mai 1976:

Das Erdbeben ist überall. In den efeuüberwucherten Trümmern eingestürzter Häuser an der Staatsstraße Nummer 13, in den Rissen und Narben der großen Gebäude, den geborstenen Grabmälern, den Schiefheiten wiederaufgebauter Kathedralen, den leeren Gassen der bienenwabig verschachtelten alten Dörfer, den hässlichen neuen Häusern und Siedlungen, die sich am Sehnsuchtsort Vorstadt aus amerikanischen Fernsehserien orientieren.

Esther Kinsky aus: “Rombo”

Inhalt/Plot:

Der Roman erhält seinen Titel von dem Geräusch, das das Beben begleitete. Sein Zentrum bildet die Stille, den Schock der Einwohner, die das Beben erlebten. In sieben Kapiteln wechseln sich literarisierende Naturbeschreibungen und polyphone Erinnerungsrekonstruktionen einzelner Zeugen ab. Hauptsächlich geben sieben Figuren dem Dorf eine Stimme, unter anderem Gigi, dessen Familie Ziegen hält und mit dem Verkauf von Holz ihren Lebensunterhalt verdient und der den Nachwirkungen des Erdbebens tragisch zum Opfer fällt:

Der Mann wird auf der Tafel Gigi genannt, und er soll an dieser Stelle mitsamt seiner kleinen Herde verschwunden sein. Er zog allein umher und war ein eigenbrötlerischer Mensch, wie es so heißt, und sein Verschwinden, oder das Bemerken seines Verschwindens, fiel etwa mit der Entdeckung dieses von einer nicht wahrgenommenen Erschütterung ausgelösten Felssturzes zusammen, und einige Geschichten kursieren im Tal, die von dem Ende Gigis handeln und von seinen Ziegen, die ihm alle hinterdreingesprungen sein sollen.

Eigentlicher Protagonist von Rombo ist aber das Tal, die Flüsse, der Monte Canin im Nordosten, der Monte Musi im Süden, die Landschaft, deren Zeitskala eine andere als die der Menschen ist, langsamer, verzögerter, entrückter. Zu den Zeugenaussagen gesellen sich insofern geologische Narrative. Angefangen von detaillierten Landschaftsbeschreibungen und wuchtigen Sprach- und Wissenschaftswortausformungen, die dem Tal eine poetische Präsenz verleihen und mit anthropomorphistischen Mitteln zum Leben erwecken:

Der Kalkstein des Karst ist ein aus Lebewesen entstandenes Gestein, eine zur dichten Masse gewachsene Anhäufung von Abgelebtem, von Lebensspuren, die zum Lebenshintergrund und Lebensuntergrund werden. Die Karstmasse ist verwitterungsanfällig. Anfällig für Spuren und für ihre Verwischung. Ein Wandelstein, auf den wenig Verlass ist, zur Höhlen- und Abgrundbildung geneigt, steinschlagfreudig und murengängig.

In Teil 1 wird von den Stimmen, den ersten Berichten vor dem Erdbeben berichtet, von der Landschaft, den Flüssen, dem Szenario in Nordostitalien im allgemeinen. Im 2. Kapitel erinnern sich die besagten Personen an das Erdbeben. Zwischengeschaltet werden Beschreibungen von den Pflanzen der Umgebung: u.a. Nieswurz, Teufelsspor oder Orchis maculata. Teil 3 lässt die Mythen, Märchen, Legenden der Umgebung zur Sprache kommen: u.a. Pharaonischer Fisch, Märchen vom Hemd oder Riba Faronika. Teil 4 erweitert den Blick auf die Entstehung der Gebirge, auf den Zusammenhang des Tals mit anderen Tälern, Regionen und Gebieten, vertieft also den geschichtlichen Blick bis hinein ins Kosmische:

Stürzende Kometen entbrannten am Sonnenfeuer und verwandelten sich schmelzend und erstarrend in die Gebirge der Erde, welche in der Hauptsache aus Granit bestehen, ein Gestein, das erstarrt scheint wie Glas und keine Spur eines vorzeitlichen Lebewesens oder Organismus erhält. Alles andere Erhabene aus Sandstein, Schiefer, Kalkstein und dergleichen sind beiläufige, gelegentlichen Erschütterungen zu verdankende Formationen, die die Kometengebirge umstehen.

Das 5. Kapitel reflektiert die Aufzeichnungsmöglichkeiten der Geschichte durch Photographie und Heliografie, entwickelt von Joseph Niécpe, der die älteste, noch erhaltene, Photographie einer Realen-Welt-Szene angefertigt hat. Die Figuren beschreiben den langsamen Übergang zur Normalität. Im 6. Kapitel wird die Landschaft von einem erneuten Beben heimgesucht. Evakuationen finden statt. Der Fokus liegt ganz auf den Geschehnissen und dem Leben der Dorfbewohner:

Aber dann kam es wieder. Mittag war es. Heller Tag. Bedeckt, aber es ist im Nachsommer oft so diesig hier. Und dann wieder so ein scharfer eisiger Windstoß, wie im Mai, und dieses Grollen. Dieses Grollen von dem Tier da unter unseren Füßen, das sich bewegte und drehte, dass die Erde schwankte und die Dachziegel fielen, und was beinah fertig gebaut war, krachte wieder ein.

Im 7. und letzten, sehr kurzen Kapitel wird noch einmal ein Vogelblick über die Landschaft, das Andenken, das Tal geboten.

Stil/Sprache/Form:

Esther Kinsky wählt für ihren Roman Rombo die Episodenform. Die Ereignisse rundum die beiden Erdbeben werden aus Sicht der Dorfbewohner, der Pflanzen, der Tiere, der Berge und Flüsse erzählt. Die Stimmen ergeben einen Teppich an Bedeutungsnuancen. Die Episodenform wird oft gewählt, um die fehlende Spannung mit Vielfalt und Abwechslung zu ersetzen wie bei Robert Menasse Die Erweiterung, Eva Menasse Dunkelblum oder Sibylle Bergs RCE, die allesamt nur sehr lose über einen Plot, aber sehr dicht über eine Szenerie gebunden werden. Bei Rombo besitzt diese Episodenform eine inhaltliche Korrespondenz. Das Namenlose des Erdbeben hat den Zusammenhang zerrüttet, hat Trümmer über Trümmer gehäuft, die Erde aufgerissen, Menschenleben verschluckt.

Die seismischen Stöße im Mai spalteten Leben und Landschaft in ein Vorher und ein Nachher. Das Vorher wurde Gegenstand von Erinnerungen, Erzählungen, dem steten Schichten und Überwehen mit Worten. Man stritt über die Formen der Felsen, den Lauf der Bäche, die von Muren niedergewalzten Bäume. Über den Verbleib von Gegenständen, die Anordnung der Dinge im Haus, das Schicksal der Tiere. Jeder solche Streit war ein Versuch, sich zu orientieren, sich durch den Schutt von Mauerwerk, Mörtel, Balkensplittern und zerbrochenem Geschirr einen Weg zu bahnen, um die Welt wieder neu zu verstehen. Neu anzusetzen mit dem Bewohnen eines Orts. Mit der Erinnerung.

Zur Sprache kommen die Blumen, die Tiere, die Vipern, Carbon, die Sedimente, die Wolken, die Dorfbewohner, die Flüsse, die Schluchten, die Steine. Kinsky lässt da keine Unterschiede zu. Alle sind vom Erdbeben gleichermaßen betroffen, und alle versuchen ein neues Gleichgewicht nach dem unpersönlichen Beben zu finden. Kinskys Sprache wechselt hier vom sehr persönlichen Tatsachenbericht zum wissenschaftlichen Duktus geologischer Prägung, zwischen personalem Erzählen und allwissendem, über allen Dingen schwebendem Erzähler, der selbst die Gedanken und Gefühle der Dinge, Tiere und Pflanzen spürt und zum Ausdruck zu bringen versteht, so dass aus Passivität Aktivität wird:

Die Disteln sind heimisch im Tal. Korbblütler, deren Blüten sich zur Kugel fügen, den Blütenständen zweiter Ordnung. Das stahlblaue Blühen beginnt oben auf dem Kugelkopf und setzt sich nach unten fort. Im Herbst lassen sich die Kugelköpfe vom Wind davontragen, sie rollen über den Boden und verstreuen ihre Samen, die auch zwischen Steinen gedeihen. Trotz ihrer Stacheln gelten Disteln als wohlwollend und heilend, als Erhalter einer Ordnung der Kargheit.

In Rombo agiert die ganze Welt und stellt Zusammenhänge und Zusammenkünfte her. Kinsky strebt eine allgemeinere Form der Geschichtsschreibung an. Die Welt wird für sie, wie bei Jacques Derrida, zur Schrift:

Im weißen Licht eines bedeckten Tags legen sich keine Schatten übers Gelände. Alles scheint so geglättet und klar. Ein Berg lässt sich in jedem Licht anders lesen, anders auf Spuren absuchen. Ein Geröllabgang, der werweißwas unter sich begraben mag, kann weich und in eine längliche Senke zwischen zwei Hängen geschmiegt erscheinen oder in einem scharfen Licht gleißen wie mit weißen Scherben besteckt.

Die Fugungen, Überlagerungen sind gewollt, die Komplexität auch. Rombo will kein einfach zu rezipierender Text sein. Alles verzweigt sich, geht in die Tiefe, lebt in der Andeutung, im jeweilig gewählten Fluchtpunkt, ob der Berg Monte Canin spricht, die Ziegen beobachten oder die Carbon sich schlängelt und empfindet. Auf diese Weise ergibt sich ein Mosaik, ein vielschichtiges Bild, das so vielstimmig ist, dass es Mythen und Märchen bedarf, um zu einer unbewussten, die Ereignisse verarbeitenden Erzählung zu gelangen. Hier spielen die Nacherzählungen der Sagen und Legenden der Gegend eine Rolle wie die von Riba Faronika:

Die Riba Faronika ist eine Meerjungfrau, deren Fischschwanz in zwei Teile gespalten ist. Sie schlief am Boden des Meeres, und Gottes Sandkorn hat sie geweckt. Wenn die Riba Faronika mit einem ihrer Schwänze zuckt, gibt es auf dieser Seite der Welt ein Erdbeben. Wenn sie sich im Meere dreht, überschwemmt eine Flut die ganze Welt.

Rombo selbst wäre dann eine neuzeitliche Version eines solchen Versuchs, dem Erdbeben keinen Sinn, keine überirdische, aber eine erzählerische, mnemotische Gestalt zu geben. Kinsky strebt nach dem Gleiten, dem Fließen, dem Dauern der Sprache trotz aller Zerrüttungen. Sie schichtet, amalgamiert, führt Störungen, Versöhnungen ein, die die Farben, die Emotionen, die Zeitläufe stoppen und zum Vermischen bringen, bis das Lesen sich selbst im Zentrum stehend erfasst, als Teil der Situation, als geheimer Mittelpunkt, das Hören des Grollens, des Rombos, das die Bevölkerung mit ihrer Musik zu übertönen, zu bändigen versucht:

[Die Musik] ist weder traurig noch fröhlich, mit ihren geringen Variationen ist sie endlos, sie schleift und schrammelt am Leben mit einem immer gleichen Rhythmus und kleinen Abänderungen der Melodie. Es gibt auch Worte dazu, doch nur wenige, und sie scheinen nicht wichtig. Wichtig ist, dass die Musik nicht aufhört, das Stampfen mit den Füßen nicht, das die Geister fernhält, und die Fiedelmelodie mit dem stützenden und treibenden Bass nicht, immer weiter muss es gehen, und dazu getanzt muss werden mit den kleinen Variationen der Schritte und Kreise, immer wieder eine Übung für die Unendlichkeit.

Resümee/Literarischer Anschluss:

Esther Kinksy schließt mit Rombo an eine mythische Geschichtsschreibung wie die des Thukydides in Der Peleponnesische Krieg an, jedoch mit den Mitteln, wie sie Claude Simon in seiner Form der Erinnerungsarbeit, bspw., in Die Schlacht bei Pharsalos anwendet:

Stein auf dem Aber zweifelhaft Derselbe jedoch und hier an der Stelle seither und ich darauf Nichts als ein paar Wörter, als ein paar Zeichen ohne materielle Konsistenz wie in die Luft geschrieben zusammengefügt bewahrt abgeschrieben die farblosen Schichten der Zeit der Jahrhunderte in blitzartiger Geschwindigkeit durchquerend aus den Tiefen aufsteigend und an der Oberfläche zerplatzend wie leere Blasen wie Blasen und nichts sonst Klar für jemand der nicht weiter einzudringen versucht

Claude Simon aus: “Die Schlacht bei Pharsalos”

Im Gegensatz aber zu Simon geht Kinsky in die detaillierte Naturstudie und strebt nach einer weniger syntagmatischen als semantischen Einheit. Sie erzählt linearer als Simon, aber unterbrochener, durch viele verschiedene Sprachwelten (wissenschaftlich, alltagssprachlich, lyrisch) gleitend. In der kompositorischen Form erinnert ihr Stil an die weittragenden und kausalisierenden Beschreibungssequenzen antiker Geschichtsschreiber:

Und bei der Insel Atalante gegenüber dem lokrischen Opus gab es eine ähnliche [Erdbeben versursachte] Überflutung, die die athenische Befestigung beschädigte und von zwei an Land gezogenen Schiffen das eine zertrümmerte. Auch bei Peparethos beobachtete man ein Zurückweichen der Flutwoge, doch ohne Überschwemmung; nur ein Erdbeben warf ein Stück Mauer nieder und das Rathaus und sonst noch ein paar Häuser. Die Ursache dieser Erscheinungen war meines Erachtens das Erdbeben, das dort, wo es am stärksten war, die Fluten zurückzog; wenn diese dann plötzlich mit ziemlicher Wucht wieder zurückströmten, kam es zu den Überschwemmungen; ohne Erdbeben aber kann es, soviel ich sehe, dergleichen nicht geben.

Thukydides aus: “Der Peleponnesische Krieg”

Am Ende jedoch überwiegt eine sentimentale, ländliche Stimmung, eine Ruhe, die zwischen den Steinen, Ziegen und Bewohnern aufbewahrt wird. Stoisch gehen sie ihren Lebensweg weiter, durch Höhen und Tiefen. Sie melken, reparieren, bereiten Essen zu und lassen sich nicht beirren. Eine unheimliche, aber auch eindringliche Nähe der Menschen zu ihrer Welt dringt durch, eine Welt, die gefährlich und schön, die zerstörend und nährend, die totbringend, aber auch lebensspendend sein kann und jenseits all ihrer Kontrolle liegt. In diesen Passagen erinnert Rombo stark an Guido Morsellis Dissipatio humani generis oder Die Einsamkeit, dessen Roman ebenfalls die Geräusche, Vögel, das Miteinander von Mensch und Natur erforscht und eine mystische Kommunikation zwischen ihnen etabliert:

Die Murmeltiere haben einen Schrei, der an das Jaulen von Welpen erinnert, während sie ihre Höhlen graben, die sie später mit Laub und kleinem toten Getier, Vorräten für den Winter, vollstopfen. Da die Balzzeit vorbei ist, zeigt sich der Uhu zurückhaltend, ich höre ihn nur in langen Intervallen; aber das Käuzchen verbreitet musikalische Lockrufe, und je näher es dem Nest ist, desto mehr singt es. Der Kuckuck füllt die Nachmittage, der Specht die Abende, und er hat einen seltsamen Ton: genau wie das Quietschen alter Eisentüren in alten Schlössern. Ich nenne ihn den Gespenstervogel.

Guido Morselli aus: “Dissipatio humani generis oder Die Einsamkeit”

Rombo leitet sich von dem Geräusch ab, das in der Erde ertönt, bevor sie sich kurz danach in Bewegung versetzt. Rombo ist der Blitz vor dem Donner. Das todbringende Geräusch, das in den Herzen der Menschen und Tieren Norditaliens tief eingegraben ist.

Später wird jeder von dem Geräusch reden. Vom Rombo. Mit dem es anfing. Mit dem alles anders wurde, wie man so sagt, mit einem Schlag, dabei war es eher ein Stoß, wie das dumpfe, stumpfe Ende einer aus weiter Ferne herangerollten Bewegung. Jedem hat sich dieses Geräusch ins Gedächtnis eingeschrieben, unter verschiedenen Namen. Summend, surrend, grollend, murmelnd, donnernd, polternd, rauschend, sausend, kollernd, pfeifend, dröhnend, brüllend.

Esther Kinskys Roman Rombo versucht nicht weniger, als dem Tosen etwas entgegenzusetzen, statt dem Grollen ein Singen, statt dem Donnern ein Sprechen einzuführen, auch angesichts des Schlimmsten. Sie unterminiert das Grollen mit bändigenden Sätzen, Assoziationen, mit einem Geflecht, in welchem alle Angst, Schmerz, Hoffnung der Landschaft ihren Platz haben, sich vorbereiten, zivilisieren können, ohne zu vergessen. In Rombo erhebt sich die menschliche Sprache über jedwede Verzweiflung, indem sie alles einbezieht, Zusammenhänge und ein Miteinander stiftet, einen stets wieder angestimmten Gesang, den selbst Katastrophen nicht zum Verstummen zu bringen vermögen.

12 Antworten auf „Esther Kinsky: „Rombo““

  1. “Rombo” liegt auch auf meinem Stapel zur Lektüre bereit, ich bin bislang aber immer noch darum herumgeschlichen. Mal sehen, wann ich es in Angriff nehme. Ich vermute, da brauche ich Ruhe, ausreichend Zeit und Muße. Danke für die interessanten “Vorab”-Einblicke, herzliche Grüße und frohe Ostern!

    1. Herzliche Grüße zurück und baldige frohe Ostern auch! Rombo, falls es nicht durch die Blume in meiner Besprechung zu lesen gewesen ist, gehört zum Besten, was ich je gelesen habe. Punktum. Das, was das Buch in mir hinterlassen hat, ist ungeheuerlich. Ich werde sicherlich noch andere Bücher von Esther Kinsky lesen, aber nicht zu bald. Ich lasse dieses erst einmal eine Weile auf mich wirken! Ich freue mich auf deinen Lesebericht, und ja, es benötigt etwas Ruhe und Zeit. Es liest sich nicht so einfach.

  2. Das ist eine klare Aussage. 🙂 Um so mehr freue ich mich darauf, aber jetzt auch nochmal zusätzlich darin bestärkt, erst dann, wenn ich auch die nötige Muße habe, es entsprechend zu würdigen und zu verarbeiten. Eine gute Osterzeit! Barbara

  3. Ohne dieses Buch zu kennen (aber jetzt mit Lust, es kennen zu lernen) bin ich davon überzeugt, dass dein tiefgründiger Lesebericht eine Leitlinie, Zugangshilfe zu einem vielleicht spröden, aber lesenswerten Text bilden kann.
    Wieder einmal schätze und genieße ich deine Querverbindungen zu den Verwandtschaften im weitläufigen Literaturgeflecht.
    Frohe Ostern, lieber Alexander.

    1. Liebe Ule, vielen Dank für die Blumen! Das Buch lohnt sich. Es besitzt alles, was mich an Literatur begeistert, fesselt und dranbleiben lässt. Kinsky erschafft dieses Dorf, das mit jedem Satz und jedem Kapitel lebendiger wird. Selbstredend mag nicht jeder einen solchen Stil, aber ich kenne wenige Stilmöglichkeiten, die eine derart intensive Lektüre und Nachempfindung erlauben. Ein Buch, das Mut macht. Frohe Osterfeiertage, dir und deinen Lieben!!

      1. Danke sehr! Ich werde über Ostern meine derzeitigen Lektüren abschließen, damit ich mich anschließend konzentriert auf Esther Kinsky einlassen kann. Will sehen, was sie mit mir macht.

      2. Würde mich freuen von deinen Lektüren zu lesen! Kinsky ist es wert. Sehr. Es dauert vielleicht kurz, am Anfang, in den Rhythmus, die Melodie, dieses Sprachspiel hineinzufinden, aber dann liest es sich von ganz alleine 🙂

      3. Zustimmung auf der ganzen Linie, lieber Alexander! Ein Buch, das sich kein bisschen sperrig anfühlte, mich sofort mitnahm und festhielt bis zum letzten Satz.
        Was ganz selten passiert: nach dem Leseabschluss habe ich sofort wieder von vorn begonnen und mir einen zweiten Durchgang gegönnt.
        Ein Buch wie ein großer Gesang auf die Fülle und das Drama der Natur, die wir Menschen mit Tieren und Pflanzen genießen und erleiden.
        Meisterhaft, wie die Autorin uns ins Tal hineinführt und am Ende wieder hinaus!
        Wie Esther Kinsky die Zeiten einsetzt, lässt in mir die Fotografin jubeln, sie zoomt mit dem Präsens hinein, mit dem Präteritum wieder raus. Zugleich wechselt sie zwischen Jetzt und Ewigkeit mit denselben Mitteln, so virtuos! Manche Formulierungen sind einfach so genial, dass ich dem Bedürfnis nachgeben musste, sie nochmal per Hand abzuschreiben und damit besonders zu würdigen.
        Die Gedanken der sieben benannten Menschen über Erinnern und Vergessen stoßen in mir das Bedürfnis an, mir über mein eigenes Verhältnis dazu klarzuwerden. Und ich beginne die Katastrophe nicht nur in ihrer Zerstörungsmacht zu begreifen, sondern auch als Kraft, die – wie die Dachflicken auf Seite 72 – die Schichten aufbricht, mit denen immer wieder alte und neue Schäden zugeklebt wurden, auch solche des Erinnerns.
        Du hast mir mit dem Hinweis auf diese Autorin große Freude geschenkt, Alexander.

      4. Das freut mich ungemein, Ule! Ich werde noch einiges von ihr lesen. Das Buch hat mich sehr tief berührt – du beschreibst das sehr gut, dieses Netzwerk an Impressionen und Eindrücken, die sich gewaltlos zusammenfügen, eine rhythmische Komposition, die sich langsam auf ihre eigenen und selbstgefundenen Schwerpunkte zubewegt. Ich glaube, dass Kinsky auch so schreibt. Sie schreibt, lässt der Feder freien Lauf und so kann diese sich ihren Weg suchen, und beim Lesen empfinde ich das nach. Und ja, sie ist sehr photographisch. Stimmt, diesen Aspekt habe ich nicht stark herausgearbeitet. Er gehört unbedingt dazu! Ich habe mir vorgenommen, es auch ein zweites und auch drittes Mal zu lesen. Du hast mich jetzt dazu motiviert 🙂 Vielen Dank für die Rückmeldung!!

      5. Dass Kinsky auch so schreibt, fließend oder geröllartig ausgreifend, kann ich mir auch vorstellen. Ich glaube, “Hain” ist ein zu “Rombo” verwandtes Werk, was die nahe Verbindung von Mensch und Natur ebenfalls erlebbar macht. Vielleicht wird das mein nächstes Kinsky-Buch.

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