Nicht nur die Musik beheimatet das Quodlibet. Auch die Literatur kennt es. Das Quodlibet stellt musikalisch ein scherzhaftes Musikstück da, in dem verschiedene Melodien zeitgleich erklingen und im Spiel und Übereinandergehen etwas Unerwartetes erzeugen können. In seiner schlichtesten Form nennt es sich Medley. In der Literatur lässt sich das Gleichzeitige weniger gut realisieren, durch die lineare Rezeptionsform, und so besteht das Quodlibet hier darin, dass scherzhafte Dichtungselemente durch inkohärente Kombinationen überraschende Wirkungskraft entfalten. Der barocke Schelmenroman und die frühneuhochdeutschen Pastorellen illustrieren dieses Verfahren. Neuerdings tauchen vermehrt Quodlibets auf dem Literaturmarkt auf: Jan Faktors Trottel, Necati Öziris Vatermal, Tomer Gardis Eine runde Sache oder nun Viktor Gallandis Debütroman Kaspar:
„Viktor Gallandi: „Kaspar“ (Das Debüt 2023)“ weiterlesenWie man sieht, fällt es in der Lage, in der ich mich zu befinden behaupte, schwer, den Dingen Eigenschaften zuzuschreiben, die man nicht auch einem Nichtding zuschreiben könnte, und umgekehrt. Das macht natürlich nichts. Meine Empfindsamkeit soll eine sein, die sich nicht an Maß und Maßgeblichkeit zu halten braucht, eine schrankenlose, in alle Richtungen und in sich selbst offene, die den Sternen den Schweiß auf das Gestirn treibt, geoffenbart vor einer überkommenen Leere, unendliche Einfaltung in die zum Nonsens verdichtete Subjektivität.
Viktor Gallandi aus: „Kaspar“