Susanne Abel: “Stay away from Gretchen”

Stay away from Gretchen
Dokument eines Traumas … Spiegel Belletristik-Bestseller 35/2021

Das, neben Juli Zehs „Über Menschen“, die Bestseller-Listen in diesem Jahr dominierende Buch „Stay away from Gretchen – Eine unmögliche Liebe“ von Susanne Abel liest sich zwiespältig. Unbedarft und unvoreingenommen handelt es sich um einen Roman. Um was sonst?! Es wird die Liebesgeschichte zwischen Greta und Robert erzählt, sie, eine weiße deutsche, Adolf Hitler anhimmelnde Vertriebene, er ein schwarzer US-amerikanischer, Jazztrompete spielender Soldat stationiert in Heidelberg, wo sie sich im Nachkriegsdeutschland kennenlernen und ineinander verlieben. Beide arm, mittellos und weitestgehend den gesellschaftlichen Mächten ausgeliefert, die es nicht gut mit ihnen meinen, ein Romeo-und-Julia-Plot, wie er im Buche steht. Liest man aber genauer, so drängen sich ungewollt eine Menge von Fragen auf, kreisende, nicht enden-wollende Gedanken darüber, was eigentlich ein Buch von einem Roman unterscheidet, wann ein Text Literatur, wann ein Bericht eine Erzählung, wann etwas Fiktion, wann Protokoll, wann Dokumentation ist und wird. „Stay away from Gretchen“, so zeigt sich, schwebt windschief zwischen allen Kategorien und gehört weder in die eine noch in die andere. Es ist fast im guten wie im schlechten lebendige, zwischen Gelingen und Scheitern pendelnde Kommunikation – ein Anwesenheitsbericht.

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Florian Illies: “Liebe in Zeiten des Hasses”

Kulturjournalistisches Futurum II einer unverbindlichen Geschichtsschreibung … Spiegel Sachbuch-Bestseller 42/2021

Sprachlich versierte Zuhörer und Zuhörerinnen können im Rheinland eine neue Erzählzeit und Erzählform erlauschen, das narrative Futurum II des Rheinländers, der beispielsweise „dort gewesen sein wird, ohne sich etwas dabei gedacht zu haben, um es sich dort dennoch ordentlich hat gutgehen lassen können.“ Florian Illies gelingt ein ähnliches Kunststück, ein Zwischen-den-Zeiten-Journalismus, der über Vergangenes redet, als wäre es noch nicht eingetreten, und so Geschichten erzählt, ohne Rechenschaft ablegen zu müssen. Ein Niemandsland zwischen Feuilleton und Literatur, schwerelos zwischen Vergangenheit und Fiktion, ein Hauch von Dokumentation, die sich den Spaß am Fabulieren dennoch nicht nehmen lassen möchte, und nicht nehmen lassen kann, denn „Liebe in Zeiten des Hasses“ ist keine Geschichtsschreibung und keine Literatur und auch kein Bericht. Es ist eine Loseblattsammlung von Zitaten, die von einer mehr oder weniger hilflosen Begleitstimme zusammengehalten wird.

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