Eine Hütte, verlassen im Wald, ohne Kontakt zur Außenwelt, ein Pärchen auf den Spuren der Vergangenheit – aus diesem Stoff werden für gewöhnlich Horror-Romane gezimmert. Keine Hilfe weit und breit, auf sich allein gestellt, mit den eigenen Urängsten, Schwächen und Hoffnungen konfrontiert, gerät für die Figuren in diesen Machwerken schnell alles außer Kontrolle. Ein bekanntes Beispiel stellt Stephen Kings „Shining“ (Hotel statt Hütte) und „Das Spiel“ dar, die nichts für zartbesaitete Gemüter sind. Jessica Linds Roman „Mama“ ist es auch nicht. Nur aus andersgearteten Gründen. Verbreitet Stephen King in seinen erbarmungslosen Schockern, die noch nach Jahren Gänsehaut der unangenehmen Sorte erzeugen, mit etwas billigen, aber wirksamen literarischen Mitteln Horror, gelingt Lind dies ohne jedwede Abartigkeiten. Lind schreitet vielmehr den schmalen Grat der eigenen Zivilisiertheit ab, gerät aber hier und da aus dem Gleichgewicht und lässt einen teilweise übers Unheimliche und Bodenlose taumeln, mit rudernden, ausgebreiteten Armen einer sinnlos gewordenen Sinnsuche. Lesend bleibt man in ständiger Angst um Josef und Amira und ihre Tochter Luise befangen, um jene Familie, die sich in der besagten Hütte von ihrem Stadtleben zu erholen sucht.
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