Uwe Tellkamp: „Der Schlaf in den Uhren“ (ii: Form)

Uwe Tellkamp: "Der Schlaf in den Uhren"
Auf der Jagd nach Ewigkeit … Spiegel Belletristik-Bestseller (22/2022)

Nach der inhaltlichen, also makroskopischen Analyse von Uwe Tellkamps neuem Roman Der Schlaf in den Uhren nun ein mikroskopisches Nachforschen auf Stileigenheiten und selbsternannten Traditionsbestimmungen. Tellkamp positioniert sich in seinem Text nämlich sehr eindeutig. Nicht nur nennt er seine Lieblingsautoren (u.a. Thomas Mann, Heimito von Doderer, Gottfried Benn), sein Roman stellt auch eine implizite Ästhetik dar, eine Reflexion über Literatur, Wirkung und Sprache selbst. Neben der narrativen Dimension eines magischen Realismus, ohne jedoch das Freundliche, Warme eines beispielsweise Gabriel Marcía Márquez, gesellt sich eine janusköpfige, auf Verteidigung abzielende Poetologie, die versucht, sich gegen alle Richtungen zugleich abzugrenzen, d.h. ohne Richtung zu sein. Beispielsweise schreibt Tellkamps Protagonist Fabian Hoffmann über den Stil von Meno Rohde:

Dabei kam der Mann gar nicht zum Punkt, sondern schwadronierte in endlosen Schleifen um den heißen Brei, das hatten ihm schon manche seiner Leser vorgeworfen. Der Kerl will auf Kunst machen. Als ob es darauf ankäme, hatte ich an den Rand notiert. Auf Klarheit kam es an, Entschiedenheit, ein heißes Herz bei kühler Hand und eine direkte, unverkünstelte Art in der Durchführung der gestellten Aufgaben. Ins Ziel zu treffen, darauf kam es an.

Uwe Tellkamp aus: “Der Schlaf in den Uhren”
„Uwe Tellkamp: „Der Schlaf in den Uhren“ (ii: Form)“ weiterlesen

Bernardine Evaristo: “Mädchen, Frau etc.”

Eine unpathetische Hymne auf die Vielfalt … (Spiegel Belletristik Bestseller 15/21)

Bernardine Evaristo bietet mit ihrem Roman „Mädchen, Frau etc.“ eine eigenartige und bemerkenswerte Kommunikation an. Ihr Roman handelt von zwölf Frauen, verwoben, fern wie nah, verwandt, über mehrere Ecken befreundet, bekannt mit einer Theatermacherin namens Amma, die über ihren rebellischen Schatten springt und ein Theaterstück namens „Die letzte Amazone von Dahomey“ im National Theatre in London inszeniert. Dieses Theaterstück verbindet all diese Schicksale auf vielfältige Weise, bringt jene zusammen, die sich sonst nie kennenlernen oder über den Weg rennen würden: hochtrabende Intellektuelle, miesepetrige Lehrerinnen, drogensüchtige Eventmanagerinnen, abenteuersüchtige Teenager, karriere- und geldorientierte Bänkerinnen, alte wie junge Frauen und Männer aus den verschiedensten Lebenssituationen bunt zusammengewürfelt. Der Text ist so überladen, lang, in sich verknotet und verschlungen, dass er zu einer Momentaufnahme, ein Blitzlicht wird, ein kurzes Photo, ein post in einer langen Reihe von posts, eine story in der story, Gedankeneskapaden inmitten von vielen, anderen, gleichartigen, anderen, ähnlichen Erinnerungen, Eingebungen, Phantasien und Projektionen.  

„Bernardine Evaristo: “Mädchen, Frau etc.”“ weiterlesen
Die mobile Version verlassen
%%footer%%