Arno Geiger: „Das glückliche Geheimnis“

Das glückliche Geheimnis
Künstler oder Nicht-Künstler sein … Spiegel Belletristik-Bestseller (07/2023)

Ein entscheidender Hinweis findet sich direkt auf der Titelseite von Arno Geigers neuestem Buch Das glückliche Geheimnis: Dort steht nur der Verlag und keine Gattungsbezeichnung. Es handelt sich also nicht um einen Roman oder um eine Erzählung. Und in der Tat, wiewohl das Buch in der Belletristik Bestseller-Liste geführt wird, ordnet es sich in die Reihe der Sachbücher/Autobiographien ein. Buecheratlas nennt es eine autobiographische Erzählung. „Der Autor schont sich ganz und gar nicht“, was „zu vielen aufschlussreichen Passagen“ führt. Für literaturoutdoors ist es “Seite um Seite ein Mitgerissenwerden in Neugierde und Spannung“, wobei feinerreinerbuchstoff es aufgrund seiner „Lebensweisheiten“ und Alltagsbetrachtungen „einem ruhigen, leisen, unaufgeregten und liebevollen Schatzkästchen“ gleichsetzt und leckerekekse unsicher bleibt,  „wie offen und wahrheitsgetreu diese Erzählungen und Berichte sind, aber unterhaltsam sind sie auf jeden Fall.“ Arno Geigers Das glückliche Geheimnis sperrt sich also gegen eindeutige Zuordnungen und dies hat viel mit der zugrundeliegenden Ambivalenz des Ich-Erzählers zu tun, der sein Doppelleben bloßlegt:  

In der Welt der Geheimnisse gibt es jetzt ein Geheimnis weniger. Ein glückliches Geheimnis ist gelüftet. Der dunkle Deckmantel meines Doppellebens liegt am Boden. Weil ich es so will. Und warum? Um zu versuchen, endlich der zu sein, der ich bin? Oder um mich endgültig abzusondern und zu sagen, ich gehöre nicht zu euch? Vermutlich ein bisschen von beidem. Auf alle Fälle erfordert es Überwindung, mich zu zeigen.

Arno Geiger aus: “Das glückliche Geheimnis”
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Emine Sevgi Özdamar: “Ein von Schatten begrenzter Raum”

ein sprachlich, eindringliches Zeitdokument … Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse 2022

Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse (3/5): Ralph Waldo Emerson schrieb im Frühjahr 1841 in sein Tagebuch: „An die Stelle von Romanen werden schließlich Tagebücher oder Autobiographien treten […]“ Seine Prognose ist in dieser Alleingültigkeit bislang nicht aufgegangen, auch wenn sich autobiographische Romane einer großen Beliebtheit erfreuen wie beispielsweise zuletzt mit Hast du uns endlich gefunden von Edgar Selge, der ein eindringliches Porträt seines musizierenden und die Familie tyrannisierenden Vaters entworfen hat, oder Claudia Durastantis Die Fremde, die ihren Werdegang als Musikkritikerin und Autorin und die Liebe und Konflikte mit und zwischen ihren taubstummen Eltern beschrieben hat. Mit Ein von Schatten begrenzter Raum legt Emine Sevgi Özdamar ebenfalls einen autobiographischen Roman vor. Özdamar hat bereits viele Preise für ihre Romane und Theaterstücke zugesprochen bekommen (u.a. den Ingeborg-Bachmann-Preis 1991, den Kleist-Preis 2004 oder den Fontane-Preis 2009) und für ihren neuesten Roman bereits den Bayrischen Buchpreis für das Jahr 2021. Es handelt sich um ein eindringliches Zeitdokument der sprachlich besonderen Art:

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Claudia Durastanti: “Die Fremde”

Mit dem Kopf durch die Wand ins fröhliche Leben … Shortlist der Premio Strega

Claudia Durastanti ist eine Journalistin, aktive Redakteurin, vielgereiste Person zwischen Europa und den USA pendelnd, und hat bereits einige Romane selbst geschrieben, und nicht nur über solche auf Festivals und Messen berichtet. Von ihren vier Romanen ist nur “Die Fremde” ins Deutsche übersetzt. Zudem wurde der Roman auf der Shortlist der Premio Strega gesetzt und ist bislang Durastantis erfolgreichstes Buch. Sie beginnt ihren Roman „Die Fremde“ mit dem Wort „Familie“ als Überschrift, einem Motto von Emily Dickinson: „After great pain, a formal feeling comes“ und nach dem Wort „Mythologie“ mit den ersten Sätzen ihres Textes:

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