Jon Fosse: „ Der andere Name“

Trauerarbeit … Literaturnobelpreis von 2023.

Der andere Name vom Literaturnobelpreisträger 2023 Jon Fosse thematisiert eindringlich die Themen Verlust, Tod, Glaube und Hoffnung. Die monolithische Textgestalt erinnert an Hermann Brochs Der Tod des Vergil und Thomas Bernhards Auslöschung. Ein Zerfall, jedoch mit der Leichtigkeit eines Samuel Becketts aus Der Namenlose versehen. Wo Bernhard und Broch gegen die Verzweiflung anschreiben, sich in seitenlangen Sätzen gegen das Nichts erwehren, gibt sich Fosse in an Meister Eckhards Mystizismus angelehnter Schicksalsgläubigkeit dem Verschwinden anheim und hofft auf ein Leuchten im Dunkeln:

[…] alles ist aufgeräumt, alles ist an seinem Platz und er liegt nur da und zittert und denkt gar nichts, er zittert nur, und dann denkt er wieder, dass er aufstehen und losgehen soll, und dann wird er die Tür hinter sich absperren und dann rausgehen und er wird zum Meer hinuntergehen und ins Wasser gehen, immer weiter ins Wasser gehen, bis die Wellen über ihm zusammenschlagen und er im Wasser verschwindet, wieder und wieder denkt er das, sonst gibt es nichts, sonst ist da die Dunkelheit des Nichts, die ihn dann und wann, in plötzlichem Aufblitzen, wie ein Leuchten durchfährt, und ja, ja dann wird er von einer Art Glück erfüllt und er denkt, irgendwo gibt es wohl ein leeres Nichts, ein leeres Licht […]

Jon Fosse aus: „Der andere Name“
„Jon Fosse: „ Der andere Name““ weiterlesen

Halldór Laxness: „Am Gletscher“

Unaufgeregtheit als Passion … Nobelpreis für Literatur 1955

Ewiges Eis heißen die Gebiete, wo trotz Jahreszeitenwechsel das Eis nie schmilzt. Das Polargebiet kommt einem in den Sinn, aber auch die schneeverwehten Gipfel, Grate und Kämme großer Gebirge. Der Schnee vergeht dort nicht. Das Eis bleibt, und die Gipfel erstrahlen im hellen Weiß. Nicht nur Bergspitzen, auch Gletscher trotzen der Sonne und dem Sommer und legen Zeugnis ab von längst vergangenen Zeiten. Sie halten stand und geben ihr Geheimnis nicht preis. Sie dauern auf anderen Zeitskalen. Halldór Laxness‘ Roman Am Gletscher gleicht einem solchen und zwar in mehrerer Hinsicht:

Es war einer jener Tage im Mai, wunderschön gegen Abend, an denen das Glück des Lebens einem sterblichen Menschen entgegenlächelt. An einem solchen Tag pflegten die Alten zu sagen: Vor seinem Lebensende ist niemand glücklich zu preisen. Der Gletscher, der Terrinendeckel der Welt, deckte die Geheimnisse der Erde zu. Er sah mir und der Frau still nach in der Gewißheit, wenn er sich nur um ein Quentchen rührte, bekäme er einen Riß, aus dem die Maus herausspringt.

Halldór Laxness aus: “Am Gletscher”
„Halldór Laxness: „Am Gletscher““ weiterlesen

Abdulrazak Gurnah: “Das verlorene Paradies”

An den Abgründen vorbeigeschrieben … Nobelpreis für Literatur 2021

Wer nach der Bekanntgabe des diesjährigen Literaturnobelpreisträgers nach einem Buch von diesem gesucht hat, wird nur in Glücksfällen ein Exemplar ergattert haben. Abdulrazak Gurnahs Romane und Texte sind im deutschsprachigen Raum schon lange nicht mehr aufgelegt worden und waren zu diesem Zeitpunkt selbst antiquarisch eine Seltenheit. Mit „Das verlorene Paradies“ liegt nun eine Neuauflage der Übersetzung von Inge Leipold vor, die das erste Mal 1996 erschienen ist. Der Roman behandelt die Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg in Tansania. Der Protagonist ist Yusuf, dessen Aufwachsen und Erwachsenwerden zwischen Gewalt, Einsamkeit, Verzweiflung und Sprachlosigkeit beschrieben werden. Das dominierende Problem lautet Geld, und um Geld geht es auch, als Yusuf am Anfang des Romans von seinen Eltern als Pfand einem Händler namens Aziz überlassen wird. Gleich zu Anfang des Romans wird also klar, dass die Umstände wenig Raum für Besinnlichkeit, Romantik und Sanftheit lassen.

„Abdulrazak Gurnah: “Das verlorene Paradies”“ weiterlesen
Die mobile Version verlassen
%%footer%%