Rezensionen 2023









Maria Kjos Fonn: “Heroin Chic”

Angstlos den Abgrund vor Augen

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Maria Kjos Fonns neuester Roman „Heroin Chic“ handelt nüchtern von einer Süchtigen, Elise, die sich zur Sucht bekennt. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie weiß, worauf sie zustrebt. Sie weiß, was mit ihr geschieht und dennoch bejaht sie es. Anders als andere Romane über die Drogensucht, wie „Trainspotting“ von Irvine Welsh oder „Candy“ von Luke Davies oder „Wir Kinder vom Bahnhofzoo“ gibt es kein sozioökonomisches, psychologisches Drama. Der Roman will keine Gesellschaftskritik sein:

„In der Theorie ist es absolut möglich, einen Schuss zu setzen und zur Arbeit zu gehen, zum Liebsten nach Hause zu gehen, einen Schuss zu setzen und schlafen zu gehen. Man braucht es nicht größer zu machen, als es ist. Eine medizinierte Krankheit. Vielleicht war das Problem nicht, dass ich es brauchte, sondern dass alle um mich he­rum brauchten, dass ich es nicht brauchte.“

Ähnlich wie in Virginie Despentes „Liebes Arschloch, wo Rebecca, die Protagonistin, dem anderen Protagonisten, Oscar, von ihrer Heroinsucht berichtet und sich durch diese in ihrer Schauspielerei in keiner Weise eingeschränkt und leistungsunfähiger fühlt, besteht für Elise in „Heroin Chic“ kein wirklicher Grund, die Drogen nicht zu nehmen. Sie langweilt sich. Sie will nicht sein. Sie will kein Bewusstsein, keinen Körper haben, einfach Stimme werden.

„Im Chor waren wir eine Lunge, ein Puls. Ich hatte keine Ahnung, was mein Atem war und was der Atem der anderen, wusste nicht, wo meine Stimme endete und die der anderen begann. Der Klang stieg hoch zur Kirchendecke oder stieg von dort herab, war es etwas oder jemand von oben, wodurch der Raum mit Klang erfüllt wurde? Ich stand zwischen den anderen, ehe ich zum Solo einen Schritt vortrat.“

Die Stimme, die den Raum erfüllt, sich mit Elises Innen und dem Außen verbindet, eine Gesamtheit ergibt, verwischt die Grenzen ihres Körpers. Sie will reine Stimme werden, körperlos. Elise ist eine Figur der Extreme. Sie sucht den dünnsten Körper, die reinste Stimme, den härtesten Kick, die absolute Bewusstlosigkeit und Abhängigkeit.

„Meine Stimme war hell. Licht. Wie ich. Doch wenn ich unter der Dusche sang, schaute ich hinab auf meinen Körper, der war noch immer zu groß, die kleinen Brüste sahen gierig aus. Ich wollte, dass mein Körper wie meine Stimme wäre, ganz rein, dass er die Schwerkraft überwand. Im Spiegel begann ich, die Wirbel im Rückgrat deutlicher zu erkennen, zählte sie.“

Maria Kjos Fonns Roman „Heroin Chic” zieht diese Thematik bis zum Äußersten durch. Es gibt kein Drama, kein Elend, kein Schmerz, nur den, nicht leben zu dürfen, nicht leben zu können, wie sie will. Elise ist ein eiskalter Engel, die jeden Schmerz erträgt, die alles erleidet, die im Grunde, aufgrund ihrer Einstellung unzerstörbar ist. Zerstörbar sind die Beziehungen, die Freundschaften, die sie führt, die Familie, die sie bestiehlt, von der sie sich entfremdet, aber all dies spielt für sie keine große Rolle.

„Ein Junkie wird immer mehr zu einer Art Fötus, grau und mager und total abhängig von der dünnen Schnur, die ihn am Leben hält. Nicht dass ich Junkie gewesen wäre, natürlich. Ich war Tinker Bell, die Heroin rauchte. Silberflügel und Silberpapier, eingehüllt in Sternenstaub oder Rauch, was war schon der Unterschied.

Mit unnachgiebiger Konsequenz und punktgenauer Komposition gelingt Kjos Fonn ein Roman über Drogensucht, die das dunkle Moment in dieser aufsucht, aufhebt und literarisch gestaltet, den Verlust des Lebenswillen, die Sehnsucht als Individuum, sich selbst zu überwinden, zurück ins ozeanische Gefühl. Mit dieser Schärfe besitzt der Roman etwas von einer antiken Tragödie und von Joseph Conrads Art des Erzählens, bspw. in „Das Herz der Finsternis“, und belebt das mythische Moment, das in jeder gelungenen Erzählung irgendwo steckt.


Virginie Despentes: „Liebes Arschloch“

Flüssig, gefällig – ohne jeden literarischen Anspruch. Politik als Roman verpackt.

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Es gibt Stimmen, die Virginie Despentes ‚Balzac des 21. Jahrhunderts‘ nennen. Andere sehen in ihr die kongeniale Wiedergängerin von Michel Houellebecq, die andere Seite der Medaille der ausgeweiteten Kampfzonen. Ordinär, brutal, durchdringend schlug das Erstlingswerk „Baise-moi – Fick mich“ ein, das 1994 erschien. „Liebes Arschloch“ ist ihr neuester Roman. Es ist ein Briefroman:

„Wenn ich also sage, »ich werde dir die Augen auskratzen«, ist das keine Redensart, sondern eine Drohung – ich werde in meiner Schutztruppe immer einen Boxer, einen Hells Angel oder einen Auftragskiller finden, der deine Adresse ausfindig macht und dir an dem Tag, wo du es am wenigsten erwartest, die Augen aus dem Kopf bläst und sie zum Frühstück verspeist.“

Rebecca Latté, eine gealterte Schauspielerin, droht hier Oscar Jayack, einem in der Midlife-Krise steckenden Erfolgsschriftstellers. Als Schlüsselroman verstanden, kommunizieren hier Catherine Deneuve und Michel Houellebecq miteinander. Sie verstehen sich zu Anfang nicht sehr gut. Oscar greift Rebecca an. Rebecca greift zurück an. Über die Strecke des Romans entwickelt sich jedoch eine Freundschaft, die auch explizit von beiden eingestanden wird:

„Keine geöffneten Bars mehr, keine Toiletten, vor denen man anstehen muss, keine Künstlergarderoben, kein Warten, keine Ängste zu besiegen, keine Proben, keine schnellen F*cks. Das alles haben wir gemeinsam erlebt, du und ich. Das Leben hat durchaus Sinn für Humor. Wenn ich an den Anfang unseres Briefwechsels denke, sprach wenig dafür, dass du mein Leben verändern würdest. Und dass du deines veränderst.“

Als Themen werden gestreift die Corona-Pandemie, Social-Media-Shitstorms, TikTok-Videos, Metoo-Diskussionen, Weinberg, die Film- und Kulturbranche und vor allem und jedem Drogen. Das Hauptthema beider Briefschreibenden bleibt das Sich-Wegballern und beide begreifen über die Dauer des Briefwechsels, dass sie damit aufhören müssen. Rebecca, um ihre Karriere als Schauspielerin zu retten, Oscar, um die Beziehung mit seiner Tochter nicht zu verlieren. Diesbezüglich ergehen sich die beiden über jedwede mögliche Form der Drogeneinnahme und -wirkung. Die sozialen Umstände bilden nur den Rahmen für den Rausch:

„Sich wegballern ist ein Extremsport. Man muss wirklich den Wunsch haben, seine sämtlichen Identitäten in die Luft zu jagen. Geschlecht, soziale Schicht, Religion, Sippe. Du möchtest im Gegenteil das bisschen Ansehen bewahren, das du dir erworben hast.“

Stilistisch jedenfalls, wie die Zitate belegen, ereignet in Despentes‘ Roman nichts. Formalästhetisch gibt es nur das überraschende Merkmale, gerne auf Kommata bei Aufzählungen zu verzichten: „Facebook Twitter Google Amazon Microsoft Apple“ als Beispiel. Die Sprache unterscheidet sich nicht vom gesprochenen Wort. Der Textkorpus könnte eine Transkription eines langen Gesprächs unter Freunden sein. Kompositorisch ereignet sich auch nicht. Am Anfang befeindet, am Ende befreundet, aber kein Friede-Freude-Eierkuchen.

„Am Abend habe ich The Crown gesehen. Die ganze Nacht. So viele Folgen, bis es wieder hell wurde, und ich habe geweint. Ich habe geweint bei dem Gedanken, dass ich nie mehr die Prinzessinnen spielen werde. Ich war todtraurig, aber ich hatte nicht mehr den Reflex, die Nummer eines Dealers rauszusuchen. Es ist wie mit einem abgehängten Waggon. Der Antrieb, sich wegzuballern, ist außer Betrieb. Und ich bleibe zurück mit diesem unangenehmen Gefühl, aber ich habe nichts genommen.“

Wer also anderen beim Drogennehmen gerne zuhört, sie belauscht, wer gerne schmutzige Wäsche wäscht, ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen, der kommt voll auf seine Kosten. „Liebes Arschloch“ Literatur und Roman zu nennen, verballhornt jedoch diese Begriffe und kommt dem Versuch nahe, Whatsapp als zeitgenössische Enzyklopädie zu bezeichnen. Es gibt schlicht nichts, was formalästhetisch Despentes Stil von der Umgangssprache unterscheidet. Wer sich daran nicht stört, wird seine Freude haben. Flüssig und gefällig geschrieben ist der Text nämlich.


Annie Ernaux: „Der junge Mann“

Nostalgisches Erinnerungsmosaik mit beinahe poetischen Zügen.

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Annie Ernaux’ Text „Der junge Mann“ lässt sich in einem Zug problemlos durchlesen und kann der Gattung Novelle zugeordnet werden, denn die Kürze und die erzählte Begebenheit deuten auf ein unerhörtes Ereignis an. Ob sich darin tatsächlich ein Normenbruch verbirgt, um den Begriff Novelle nach Goethes Begriff zu begründen, lässt sich jedoch kaum sagen, denn die erzählte Begebenheit handelt lediglich um die Beziehung einer älteren Frau zu einem jüngeren Mann:

„Mein Körper hatte kein Alter mehr. Erst der zutiefst missbilligende Blick der Gäste am Nebentisch im Restaurant rief es mir wieder in Erinnerung. Ein Blick, der mich gerade nicht mit Scham erfüllte, sondern mich darin bestärkte, meine Beziehung zu einem Mann, der »mein Sohn hätte sein können«, nicht zu verstecken, wenn jeder Mittfünfzigjährige eine junge Frau an seiner Seite haben konnte, die offensichtlich nicht seine Tochter war, ohne Missbilligung zu erregen.“

Die Erzählzeit liegt in den 1990er Jahren, kurz vor Anbruch des neuen Jahrtausend. Die Ich-Erzählerin sagt zu Anfang, dass sie vierundfünfzig Jahre alt sei. Fällt also der Geburtstag der Ich-Erzählerin mit dem verbürgten der Autorin zusammen, spielt sich die Begebenheit im Jahr 1994 ab und dauert knapp fünf Jahre. In dieser Zeit pendelt die Ich-Erzählerin zwischen ihrem Wohnort und Rouen, wo der junge Student lebt und studiert wie seinerseits die Ich-Erzählerin. Sein Umzug nach Paris markiert das Ende der Beziehung:

„Dieses Gefühl war ein Zeichen dafür, dass seine Rolle in meinem Leben, die eines Zeitöffners, vorbei war. Meine initiatorische Rolle in seinem vermutlich auch. Er zog von Rouen nach Paris.
Ich begann die Erzählung meiner heimlichen Abtreibung, die ich lange umkreist hatte. Je weiter ich mit dem Schreiben über dieses Ereignis, das vor seiner Geburt stattgefunden hatte, vorankam, desto unwiderstehlicher fühlte ich mich dazu getrieben, ihn zu verlassen.“

Annie Ernaux‘ Ich-Erzählerin rekapituliert also eine implizite Entstehungsgeschichte des Buches „Das Ereignis“, das 2000 erschien und von der heimlichen Abtreibung handelt. Die Beziehung zum jungen Studenten wirkt als Katalysator, sich dieser Phase ihres Lebens wieder zu öffnen, den Problem mit dem Klassenbewusstsein, zur Bildungsbürgerschicht oder zum Proletariat zu gehören. Als Schriftstellerin hat sie diese Ambivalenz aufgelöst und ihre Reise aus dem Proletariat beendet, denn sie kann nun angesichts des jungen studierenden Proleten sagen:

„Bei meinem Mann hatte ich mich als Proletin gefühlt, bei ihm war ich Bildungsbürgerin. Er war Träger der Erinnerungen an meine erste Welt.

Das hauptsächliche Merkmal dieses sehr kurzen Textes besteht in der Form der Erinnerungsführung – sie ist nicht chronologisch, nicht raumhaft, nicht äußerlich, sondern körperlich, eine Art diaphane Erinnerungsmembran, die durch die Worte angespielt wird. Hier ähnelt der Text keiner Novelle, da keine Fabel erzählt wird. Einen wirklichen Plot gibt es auch nicht. Es erscheint mir als filigrane Selbstbespiegelung eines autonom gewordenen Gedächtnisfragment, also einer Art mnemosynthetische Ballade.

„Bei mir streifte er den Morgenmantel mit Kapuze über, den schon andere Männer angezogen hatten. Wenn er ihn trug, sah ich keinen von ihnen vor mir. Beim Anblick des hellgrauen Frotteestoffs empfand ich lediglich das warme Gefühl meiner eigenen Dauer und der Beständigkeit meines Begehrens.“

Annie Ernaux‘ Text lohnt als Lektüre. Die Ich-Erzählerin spricht frei, rund und unumwunden von sich, von dem sehr Privaten, das ein sehr Öffentliches wird. Die Allegorie einer Inspiration in Form eines jungen Mannes trägt sich knappe dreißig Seiten lang, ohne Anfang und Ende, ein Erinnerungsfragment und Mosaikstein im Gesamtwerk des Schreibunterfangens von Annie Ernaux und ihrer Vivisektion des eigenen Lebens. Auf ihre Weise stellt ihr Schreiben ein Umkehrakt zum Werk Claude Simons dar. Wo er sich im Räumlichen verliert, wie in „Die Trambahn“, verliert sie sich im Körperlichen und nähert sich auf eigentümliche Weise einer nostalgischen Friederike Mayröcker mit “da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete”.


Ina Kramer: „Im Farindelwald“

Von der einfachen und fröhlichen Lust am Erzählen.

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Das einfache Prinzip des Erzählens lautet, nichts erklären, einfach beschreiben. Nur wenige Romane halten sich seit dem Einbruch des Rationalen in die Welt der Kunst daran. Sie begründen ihre Figuren. Sie legen Rechenschaft darüber ab, wieso weshalb irgendetwas passiert oder wahrscheinlich geworden ist. Hierbei geht etwas verloren, was dem Erzählen im Grunde von Anfang angehaftet hat, der Zauber, das Neue, das Unverhoffte. In Ina Kramers „Im Farindelwald“ gibt es dies noch:

„So blieb ich sinnend stehen und ließ meinen Blick über die schwarzen Wipfel der Bäume schweifen. Plötzlich hörte ich ein Brausen wie von einer heftigen Bö, und dann sah ich die Person, auf einem Reisigbesen reitend, sich rasch in die Höhe erheben und davonfliegen. Sie sang (oder lachte), und obwohl es sehr helle, liebliche Töne waren, schauderte mir. Sie ist nach Nordosten gezogen, dorthin, wo meine alte Heimat liegt und wo in hellen Efferdnächten die Töchter Satuarias ihre düsterwilden Feste feiern.“

Der Roman „Im Farindelwald“ erzählt viele Geschichten in einer. Der Roman webt sich zusammen aus im wesentlichen drei Handlungssträngen: Die Reise von Sylphinja, die von Anselm und die Tagebucherinnerungen vom Vater Anselms, eines Medicus, aus der die soeben zitierte Stelle stammt. Dreh- und Angelpunkt der Geschichte findet sich in der Angst und Verfolgung von Hexen in Aventurien, genauer in der Gegend Albernia. Sie setzt ein in Abilacht, als Anselm nachdem Tod seines Vaters loszieht, die Welt zu erkunden, und dort Zeuge von einer Hexenverbrennung wird. Später wird Anselm die Tochter der Hexe kennenlernen, namentlich Sylphinja, und mit ihr ein Abenteuer im Farindelwald erleben, in dessen Mitte ein unheimlicher Weiher prangt:

„In die Sprache der Worte übersetzt lautete [die Antwort des Weihers] etwa folgendermaßen: Ich bin, wie ich bin. Und sie war von einem so fremdartig kalten Hauch begleitet, daß Sylphinja es rasch zurückzog. Außer den Pflanzen, die am Ufer wuchsen, barg der Weiher kein Leben, kein noch so kleines Tierchen tummelte sich in seiner Tiefe, und doch, das spürte Sylphinja, war das Wasser nicht vergiftet. Eher schien es ihr, daß der Teich keine Lebewesen in sich dulden wolle, weil deren geschäftige Betriebsamkeit – das Lieben, Sich-Fortpflanzen, Wachsen und Vergehen – ihn darin störte, was er sein wollte: finster.“

Wie die Textstellen andeuten, beschränkt sich der Erzählstil nicht auf kurze Sätze, auf Andeutungen und Dialoge. Es gibt viele Naturbeschreibungen und einen in sich verwobenen, reflektierten Plot, der die Hauptfiguren bis zum Ende begleitet und in die Welt einbettet. Die schlichte Erzählung bekommt allegorischen Charakter, sobald die Verspiegelung der Handlungsverfügungen beachtet werden. Die Erzählung reflektiert ihr eigenes Geheimnis und Thema, beginnend mit dem Tod der Hexe, bleibt das ewige Leben. In seiner Genre-haften Beschränktheit führt Ina Kramer nun alles aus, was eine Geschichte und Plot vorantreibt, ihn verdichtet, intensiviert und über sich hinaus in die Imagination führt. Es geht dem Lesen wie Sylphinja beim Fliegen auf ihrem Besen:

„Wie lange sie flogen, wußte Sylphinja nicht, ob Stunden oder Augenblicke, denn seit sie in die Schwärze der Waldpfade eingetaucht waren, hatte sie nicht nur die Orientierung, sondern auch ihr Zeitge-fühl verloren. Doch unversehens lichtete sich das Dickicht, ein Kreis fahlen Himmels tat sich über ihr auf, und sie landeten, so sanft, daß Sylphinja ganz überrascht war, als sie plötzlich festen Boden unter den Füßen spürte.“

Plötzlich ist das Buch vorbei, und die nicht ganz geschlossene Handlung verweist auf das nächste Buch „Der Reise nach Salza“, was mehr ein Grund zur Freude als zur Enttäuschung ist. Literatur verbirgt sich und gedeiht in den seltsamsten Ecken.


Ursula Knoll: „Lektionen in dunkler Materie“

Episoden zu einem Gegenwartsbild zusammengeschüttelt. Ein Kessel Buntes.

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Um der Komplexität der Welt ein wenig gerechter zu werden, greifen mehr und mehr Schreibende zum Episodenroman. In einzelnen, kleinen seriellen Bruchstücken setzt sich auf diese Weise ein kaleidoskopisches Szenario zusammen und führt eine Realitätsauslotung durch. Klassische Beispiele führen John Dos Passos‘ „Manhattan Transfer“ oder die USA-Trilogie an, oder noch früher Eugène Sues „Die Geheimnisse von Paris“. In der Gegenwartsliteratur gibt es viele Romane dieser Art. Hier seien Hervé Le Telliers „Die Anomalie“, Eva Menasses „Dunkelblum“ oder Florian Illies „Liebe in Zeiten des Hasses“ von vielen angemerkt. Ursula Knolls Debütroman „Lektionen in dunkler Materie“ gehört dazu. Er bemüht sich um eine Standortbestimmung:

„Die Menschen in dieser Stadt, Trottel, alles Trottel. Sie braten sich selbst wie Hendln am Grill. Dass niemand hier den Hintern hochkriegt und etwas anderes versucht, dass alle das so gottergeben ertragen. Im Winter wird es schon wieder frieren.“

Eine der Protagonistinnen des Romans heißt Katalin. Sie ist Astronautin und hat eine Schwester, Eszter, die Finanzterroristin und Polizistin ist. Diese lebt getrennt von ihrer Ex-Freundin und Lebenspartnerin Heide, die das gemeinsame Kind Linus aufzieht. Linus geht in den Kindergarten, wo er von Fatima betreut wird, die wiederum eine Affäre mit Ines beginnt, einer Immigrationsbeamtin, die ihren Job verliert, und mit Milka zusammenwohnt, einer Aktivistin für gerechte Arbeitsmarkt- und Handelspolitik. All dies wird zusammengeschüttelt und zusammengehalten von der dunklen Materie:

„Dunkle Materie ist für alles der Grund. Ein Zeug, von dem man nur weiß, dass es Schwerkraft ausübt, dass es viermal so viel davon gibt wie von sichtbarer Materie und dass es durch seine Gravitation wie ein Kitt die Strukturen im Universum zusammenhält. Es ist unklar, woraus es besteht, woraus es entstanden ist oder was es sonst noch tut. Man kennt nur seine Funktion. Es ist einfach da und der Grund für unsere Existenz.“

In dem Roman von Knoll geht es aber weder um die dunkle Materie noch um Physik, oder das Universum oder dem Versuch, den Grund der Existenz nachzuspüren. Es geht vor allem um die Probleme des Alltags, Beziehungskrisen, übers Allein- und Verzweifeltsein, über Armut, Zeitmangel, über Wut auf die Verhältnisse, aufs System, auf die Familie und all die, die alles missverstehen und nichts ändern wollen.  

„Wenn, dann steht es ihr, Katalin, zu, das Leben der anderen zur Hölle zu machen. Zu zerstören, was sich zerstören lässt, wenn sich schon nichts konstruktiv damit anfangen lässt, wenn sich schon nichts konstruktiv damit anfangen lässt. Menschen sind nun einmal so, das steht in jedem Psychologiewälzer.“

Am Ende fliegt alles irgendwie auseinander und fällt auch irgendwie zusammen. Die Figuren begegnen sich, lieben sich, zerstreiten, verlieren sich. In unmanierierter Sprache mischt Knoll die Handlungsstränge etwas beliebig zusammen, was vor allem dem Genre Episodenroman geschuldet ist, der eine in sich kohärente Erzählweise gar nicht voraussetzt und eine gewählte Komposition stets als optional erscheinen lässt.

Wer den Titel nicht ernst nimmt, sich in Ereignissen und Tomatenwerferei treiben lassen möchte, macht mit der Lektüre von „Lektionen in dunkler Materie“ nichts falsch. Überraschungen und Innovationen gibt es nämlich keine. Und ob diese oder jene Figur mehr oder weniger, spielt dann auch keine Rolle mehr. Die Welt bleibt in Bewegung, wahrscheinlich wegen der dunklen Materie.


Claudia Schumacher: „Liebe ist gewaltig“

Literarisch widersprüchliche Reise durch ein zerstörtes Ich.

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Reproduziert sich Gewalt durch Mimesis, durch Enttäuschung, durch Unvermögen? Diese Frage stellt sich Claudia Schumacher in ihrem Debüt „Liebe ist gewaltig“, das weniger von Liebe als von Aggression handelt. Der Titel mag daher etwas irreführend sein. „Liebe“ in ihrer klassisch vorgestellten Form wie in Benedict Wells „Hard Lands“ oder „Vom Ende der Einsamkeit“ oder Irvin D. Yaloms und Marilyn Yaloms „Unzertrennlich“ taucht in Schumachers Roman nicht auf:

„Ich wünschte, ich hätte deine positive Ader, wie Anikó es nennt. Deinen Selbstglauben, dein beschissenes Alles-ist-möglich. Aber ich bin Jules, das schwarze Loch, das sich selbst frisst. Ich wünschte, ich wäre jemand, den du lieben kannst. Ein Dichter, auf die stehst du doch. Wäre ich ein Dichter, dann wäre diese Misere in der Pfütze nicht nur ein Tiefpunkt, nein, sie wäre auch ein Grund für ein neues Gedicht, und zwar ein Gedicht für dich. Aber ich hasse Gedichte.“

Schumachers Roman entwickelt sich um die Widersprüche: Positiv/Negativ, Liebe/Hass, Allein/Zusammen, Gewalt/Zärtlichkeit. Die Hauptfigur heißt Jules und studiert Mathematik und verdient ihr Geld mit Ego-Shooter-Wettkämpfen. Ihr Leben kreist um Gewalt gegen sich selbst und andere, zumal sie nichts anderes aus ihrem Elternhaus gelernt hat. Ihre vier Geschwister gehen völlig auf Abstand oder sind ihr ähnlich. Hier wieder die Janusköpfigkeit und Dichotomie. Der Widerspruch:

„Eigentlich mag ich keine coolen Menschen. Diese Leute mit ihren elaborierten Geschmäckern und harmonierenden, sorgsam geführten Garderoben – wo ist die Ehrlichkeit, die Anarchie der Authentizität? Hören die nachts heimlich Britney Spears? In meiner Brust stecken unzählige Menschen, eigenartige Menschen, lustige Menschen, widersprüchliche Menschen. Ich kann mich nicht auf eine Formel bringen und sagen: Blur, ganz klar Blur – niemals Oasis.“

Die Widersprüchlichkeit markiert sich in der Textgestalt auch durch changierende Erzählposition. Das Für und Wider pendelt hin und her und erhält keine Ruhe und bekommt keine Perspektive. Der Plot bricht sich gegen Ende des Buches bahn und überzeugt gerade dort, wo er nichts erklären, nichts eruieren, begründen, konzentrieren will, wenn das Erzählen überhand gewinnt und die Gefahr beschrieben wird, in die Jules gerät, ein selbiges Leben wie ihre Mutter zu führen:

„Als Thilo fragte, ob sie ihn heiraten wolle, quiekte die Mutter vor Freude, der Vater lächelte weinselig, Max sah auf seine Uhr, der Arsch, und Clementine machte ein Foto. Julia schwitzte. Sie starrte ihn an, sie konnte nicht sprechen, er lachte schüchtern. Julia? Schatz?, sagte er leise.
Okay, sagte sie schließlich und fragte sich gleichzeitig, ob man das so sagte.“

Claudia Schumachers Erstling verdichtet sich dort, wo er Stil und Rhythmus eines typischen Genreromans annimmt wie Nancy Prices Roman „Der Feind in meinem Bett“ oder Bret Easton Ellis‘ „American Psycho“. Das Erzählerische spielt mit Farben und Formen und hüllt die Ereignisse unter einen gruseligen Schleier ein. Wo aber aus der Ich-Perspektive Jules/Julias erzählt wird, bleibt der Text dem eigenen Motto verhangen, das Louise Glücks Gedicht von der unzuverlässigen Sprecherin (The Untrustworthy speaker) zitiert:

„Man kann mir nicht trauen.
Denn ein verwundetes Herz
ist auch ein verwundeter Geist.“

Am Ende bleibt dann eben die Frage, ob über Gewalt überhaupt reflektierend geschrieben werden kann, oder ob Gewalt nicht eben ein Fremdes bleibt, etwas, das ein Ich zwar erfährt, aber ein Ich, das sich seiner selbst bewusst ist, gar nicht ausüben kann. Diese Frage so minutiös herauszuarbeiten, bleibt Schumachers verdienst, auch wenn literarisch über weite Strecken der Funke nicht überspringt.


Annika Büsing: „Nordstadt“

Literarisch antizipierter Ausbruchsversuch

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Annika Büsings Debütroman zeichnet sich vor allem durch seine Unumwundenheit aus. Die Ich-Erzählerin Nene nimmt kein Blatt vor dem Mund und plaudert, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Sie springt zwischen den Erinnerungen und Themen umher und berichtet von ihren Erfahrungen mit Boris, in den sie sich verliebt und der an einer verkrüppelten Fuß leidet. Sie stört sich aber weniger an seinen Fuß als ein wenig an seinen Zähnen:

„[Boris] hatte keine guten Zähne. Also gut waren sie schon, aber schief, und schiefe Zähne, die brandmarken einen Menschen irgendwie, finde ich. Aber vielleicht finde ich das nur, weil ich mit Zac Efron und Florian David Fitz aufgewachsen bin. Deren Zähne sind einfach perfekt. Und wenn ihre Leben noch so scheiße sind, einsam und erbärmlich, ihre Zähne rocken. Boris fand das oberflächlich.“

Wie der Abschnitt zeigt, handelt es sich bei „Nordstadt“ um eine besondere Form des Jugendbuches in Jugendsprache. Die Sätze sind kurz. Die Themen klar um Sexualität, um Eltern, Schule und das langsame Hineingleiten in das Erwachsenenleben zentriert. Die Erinnerungen an die Kindheit dominieren die Assoziationsverläufe und der Bezug zu den Eltern die relevanten Werthorizonte:

„Boris hasst Menschen im Allgemeinen. Das unterscheidet uns stark voneinander. Ich hasse einige Menschen bis aufs Blut: meinen Vater und meine Mutter, obwohl sie tot ist, und alle Menschen, die anderen Menschen (oder Tieren) wehtun.“

Büsing behandelt in ihrem Roman die Themen Impfen, häusliche Gewalt, Leistungsdruck, Altersarmut und weitere Problembereiche in einer sozial ausdifferenzierten, von sozioökonomischer Ungleichheit geprägten Welt. Literarisch wird „Nordstadt“ ab der Hälfte seines sehr knappen Umfanges, wenn über Wiederholungen deutlich wird, dass es sich eher um eine Ballade, um eine Art Prosagedicht, Rap oder Rezitativ handelt, denn um einen breitangelegten fiktionalen Text:

„Dann gibt es noch all die Erlebnisse, bei denen er [Boris] festgestellt hat, dass er Dinge nicht kann, die andere können. Und das ist jetzt ein ständiger Schluckauf: Das kannst du nicht. Es kommt hoch und er kann nichts dagegen tun. Das kannst du nicht. Rammt sich mit aller Macht in sein Bewusstsein, in alles Schöne. Das kannst du nicht. Leute haben es gesagt oder er hat es festgestellt.
Das kannst du nicht.
Das kannst du nicht.
Das kannst du nicht.
Das kannst du nicht.“

„Nordstadt“ von Annika Büsing besitzt insofern viel mehr Ähnlichkeit mit Julia Engelmann und ihren Sprech- und Poetryslam wie in „Lass uns mal an uns selber glauben“ als etwa mit einer Valerie Fritsch und ihrem Debütroman „Winters Garten“. Büsing lotet den Graubereich zwischen Sprechen und Schreiben, zwischen Gedicht und Erzählung aus und gewinnt am Ende einen gewissen Mut dadurch, dass Grenzen aufgewiesen werden, die allzu einengend beim Lesen empfunden werden können. Die Hoffnung besteht in antizipierten literarischen Ausbruchsversuchen, der als antizipierter hier noch nicht vollzogen wurde.


Robert Musil: „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“

Ein Anti-Entwicklungsroman: Das Chthonische schlägt zurück.

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Neben den vielen aktuellen Coming-Of-Age-Romanen lohnt sich hier und da ein Blick zurück. Als gegenwärtige wären da u.a. zu nennen: Ariane Kochs „Die Aufdrängung“, Benedict Wells „Hard Land“, Claudia Schumachers „Liebe ist gewaltig“, Eckhart Nickels „Spitzweg“ oder Stephen Kings „Später“. All diese konzentrieren sich sehr auf die emotionale Berg- und Talfahrt im Erwachsenenleben, weniger aber auf das sogenannte Intellektuelle oder Geistige. Anders hier, in Robert Musils „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“:

„Diesen dunklen, geheimnisvollen Weg, den [Törleß] gegangen. Wenn sie ihn fragen würden: warum hast du Basini misshandelt? – so könnte er ihnen doch nicht antworten: weil mich dabei ein Vorgang in meinem Gehirn interessierte, ein Etwas, von dem ich heute trotz allem noch wenig weiß und vor dem alles, was ich darüber denke, mir belanglos erscheint. Dieser kleine Schritt, der ihn noch von dem Endpunkte des geistigen Prozesses trennte, den er durchzumachen hatte, schreckte ihn wie ein ungeheurer Abgrund.“

Der Plot lässt sich schnell umreißen. Zwei Jugendliche quälen, missbrauchen einen vierten, und Törleß als Vierter, springt mal dem Opfer, mal den Tätern unentschieden und mal aus geistiger, begehrlicher, moralischer oder zufälliger Hinsicht zur Seite. Die Struktur speist sich aus dem Ungenauen, das sich in Törleß abspielt, der kein Held gewöhnlicher Gestalt ist. In ihm verkörpert sich vielmehr ein gewisses zivilisatorisches Erlahmen, eine vorweggenommene Gestalt dessen, was als gescheiterte Aufklärung knapp zwanzig Jahres später Oswald Spengler in „Der Untergang des Abendlandes“ umreißen sollte. Auf den Text bezogen, Törleß vermag nicht mit intellektuellen Mitteln sein Begehren, seine Leidenschaft, seine Lust zu durchschreiten und verfällt er deshalb umso barbarischer und verantwortungsloser:

„Und nun begann Törleß doch noch zu schreiben, – aber hastig und ohne mehr auf die Form zu achten. »Ich fühle«, notierte er, »etwas in mir und weiß nicht recht, was es ist.« Rasch strich er aber die Zeile wieder durch und schrieb an ihrer Stelle: »Ich muss krank sein, – wahnsinnig!« Hier überlief ihn ein Schauer, denn dieses Wort empfindet sich angenehm pathetisch. »Wahnsinnig, – oder was ist es sonst, dass mich Dinge befremden, die den anderen alltäglich erscheinen? Dass mich dieses Befremden quält? Dass mir dieses Befremden unzüchtige Gefühle« – er wählte absichtlich dieses Wort voll biblischer Salbung, weil es ihn dunkler und voller dünkte – »erregt? «“

Dieser Coming-of-Age-Roman beschreibt, wie kein anderer, das Nicht-Coming-of-Age, denn Törleß verbleibt unentschieden, pendelnd, unsicher inmitten der Dinge, ohne Verantwortung und Selbstbewusstsein zu erlangen. Das Kalte und Leere, das sich in den Versuchen von Törleß widerspiegeln, steigern im Text sich zum Gespenstigen, zu einer Art unheimlichem Nachvollzugs eines Scheitern, eines Selbst, das vor sich zurückschreckt und letztlich in sich zusammenfällt. Das Grauen erinnert an Edgar Allan Poes Der Fall des Hauses Usher oder Das verräterische Herz. In Musils Debütroman vereist sich das Denken zu einer psychopathologischen Pattsituation, aus dem Törleß nicht mehr herausfindet:

„So wie ich [Törleß] fühle, dass ein Gedanke in mir Leben bekommt, so fühle ich auch, dass etwas in mir beim Anblicke der Dinge lebt, wenn die Gedanken schweigen. Es ist etwas Dunkles in mir, unter allen Gedanken, das ich mit den Gedanken nicht ausmessen kann, ein Leben, das sich nicht in Worten ausdrückt und das doch mein Leben ist ….“

Musil beschreibt das Heranwachsen eines unempfindlichen Individuums, das sich nur für die eigenen Sensationen, für den eigenen Thrill interessiert, und bereitet den Weg für die Darstellung von Figuren wie Patrick Bateman aus Bret Easton Ellis‘ Roman „American Psycho“ oder wie in Truman Capotes „Kaltblütig“. Auf seine Weise steht Musils Entwicklungsroman sehr eigenständig dar, eine vorweggenommene Ausdeutung dessen, was später die Dialektik der Aufklärung genannt wird und begrifflich das Scheitern der Aufklärung selbst zementiert. Das Chthonische hallt nach und schlägt in der Persona Törleß, ohne ein Wässerchen zu trüben, ungemindert zurück.


Juli Zeh, Simon Urban: „Zwischen Welten“

De- und Re-Radikalisierung als poetisch-ästhetisches Prinzip

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Juli Zeh und Simon Urban haben einen Brief-, also E-Mail-/Whatsapp-Roman verfasst. Die Gattungsbezeichnung „Roman“ auf dem Cover verweist darauf, dass die beiden Hauptfiguren und/oder die Handlung selbst allein der Imagination der Autorin und des Autoren entsprungen sind. Der Umstand, dass zwei Namen, einer groß und rot, Juli Zeh, der andere kleiner und schwarz, Simon Urban, auf dem Cover gedruckt worden sind, klärt über eine schwebende Autorenschaft auf. Es bleibt auf diese Weise völlig im Unklaren, wer für was sich verantwortlich zeichnet und hierin steckt wohl auch die versteckte Botschaft des Romans, die fehlende Zurechenbarkeit, und daher sein Name „Zwischen Welten“:

„Es ist schön, hier zu sitzen. Nur ich und der Bildschirm. Draußen ist es noch ganz ruhig, keine Leute auf dem Hof, kein Maschinenlärm. Manchmal schreit eine Kuh. Ich kann abtauchen in meine innere Welt. In den unendlichen Kosmos der Wörter. Für dich ist das normal. Für mich ist es wie vier Wochen Tauchurlaub auf einer inneren Insel.“

Die „Zwischen Welten“ beziehen sich insofern auf den digitalen Kosmos zwischen den Briefschreibenden. Von Bildschirm zu Bildschirm findet die Kommunikation zwischen Theresa Kallis und Stefan Jordan statt. Beide haben gemeinsam studiert und über Literatur diskutiert, lebten in einer Wohnung, aber führten damals keine Liebesbeziehung. Zumindest Stefan betrauert dies explizit. Theresa brach ihr Studium ab, um den Bauernhof ihres Vaters zu übernehmen, und Stefan stieg zum stellvertretenden Chefredakteur der, innerhalb der Romanwelt bedeutsamen, Wochenzeitung „Der Bote“ auf. Hier setzt die Handlung an. Vielmehr das Gespräch:

„Hallo Tessa, normalerweise stört es mich nicht, dass ich allein lebe – alleine bin, muss man wohl sagen. Aber jetzt fällt mir plötzlich auf, dass da niemand ist, wenn ich nach Hause komme. Niemand, dem/der ich Herz und Hirn ausschütten könnte. Ich sitze mit dem dritten Gin Tonic am Fenster und starre raus zum Wasserturm. In meinem Kopf ein Gedanken-Stausee, und niemand da, um den Stöpsel zu ziehen. Die Stille in der Wohnung ist aufdringlich. Ich habe es mit lauter Musik versucht. Aber man kann die Einsamkeit nicht per Spotify abschalten. Dadurch wird sie nur noch größer.“

In völlig unvermittelter Alltagssprache deckt der Roman den Zeitraum vom 05. Januar bis 04. Oktober 2022 ab. In E-Mails und Whatsapp-Nachrichten beleidigen, bekriegen, umflirten und umschwärmen sich Theresa und Stefan gegenseitig, suchen den Halt im anderen, den sie aus sich heraus nicht mehr zu finden vermögen. Sie kommen aus verschiedenen Welten. Sie haben verschiedene Lebensrealitäten. Sie reden aneinander vorbei, radikalisieren sich auf ihre Weise, de-radikalisieren und re-radikalisieren sich bunt umher. Planlos sind beide. Überfordert, mitgenommen, von Problemen und Herausforderungen der Gegenwart aus dem Gleichgewicht gebracht, wirken sie wie Marionetten und Spielbälle unbekannter, unsichtbarer Kräfte, nämlich der digitalen, entfremdeten, unnahbaren Globalisierungs- und Internet-Welt. Theresa:

„Während der Fahrt habe ich an dich gedacht. Ich bin immer noch wütend auf dich, dabei sollte ich vor allem auf mich selbst wütend sein. Der Depp bin ich. Normalerweise lege ich solchen Wert auf Sachlichkeit, aber von dir habe ich mich voll aufs Glatteis führen lassen. Ein digitaler Flirt, ein bisschen träumen. Ponyhof für Erwachsene.“

Und als vermittelte Antwort irgendwann Stefan:

„[Die Illusion] lindert den Schmerz für einen kleinen Moment. Wir haben beide gekämpft und verloren, Theresa – jeder auf seine Weise.“

Zehs und Urbans „Zwischen Welten“ thematisiert alles, was gegenwärtig in den digitalen Sphären Rang und Namen hat. Der Roman kreiert zwar Figuren, aber er hat keinen eigentlichen Plot. Der gegenteilige Fall tritt häufiger auf, nämlich bei Unterhaltungsromane, die mit viel Handlung, aber wenig Figuren aufwarten können. Dies allein erlaubt es „Zwischen Welten“ jedoch nicht, sich von anderen Texten dieser halbjournalistischen Machart abzuheben. Die Sprache kratzt nicht an der Oberfläche. Sie wischt an ihr vorbei.

„Man könnte ja auch sagen: Cooles Projekt, eindeutig politische Kunst. Genauso muss man es machen – eingefahrene Kommunikationsbahnen verlassen, aufrütteln, die Aufmerksamkeitsökonomie der sozialen Medien bedienen. Nur so geht etwas voran.“

Zudem, was in der Gegenwartsliteratur häufiger der Fall ist, verrät der Roman seine eigenen Figuren. Er fällt ihnen ins Kreuz und lässt sie erbärmlich und schwach und lächerlich dastehen. Beide, Theresa wie Stefan rennen Anerkennung, Lobhudelei hinterher, schmollen, tanzen, leben in einem manisch-depressiven Auf-und-Ab durch den Tag und träumen von der ganz ganz großen Liebe. Sie träumen von einer gemeinsamen Pilgerreise zu Martin Walsers-Haus am Bodensee oder von einer Flucht verkleidet als Bonny und Clyde nach Palermo. Sie träumen von einer besseren Welt, während um sie herum, so der Roman, alles in Schutt und Asche fällt.

Kurz: Zeh und Urban mögen die gegenwärtige Debattenkultur genauso wenig wie ihre Hauptfiguren. Wer also Freude daran hat, etwas nicht zu mögen, wird in „Zwischen Welten“ fündig werden.


Arno Geiger: „Das glückliche Geheimnis“

Von Altpapiertonnen und anderen Hindernissen, sich selbst zu finden.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2023/…

Ralph Waldo Emerson schrieb 1841 in sein Tagebuch: „An die Stelle von Romanen werden schließlich Tagebücher oder Autobiographien treten […]“ – die Veröffentlichungen dieser mehren sich tatsächlich; aber was sich auch mehrt, sind Bücher, die weder in die Schublade Romane noch in die von Erzählungen oder Autobiographie oder Sachbuch fallen. Sie sind vielmehr Interjektionen, lange Briefe, öffentlich zugängliche Transkripte von einem Monolog, wie es scheint. Arno Geigers neuestes Buch „Das glückliche Geheimnis“ gehört dazu. Es besitzt die Form eines Bekenntnisses, einer öffentlichen Beichte, wie das Grass’sche Häuten einer Zwiebel:

„In der Welt der Geheimnisse gibt es jetzt ein Geheimnis weniger. Ein glückliches Geheimnis ist gelüftet. Der dunkle Deckmantel meines Doppellebens liegt am Boden. Weil ich es so will. Und warum? Um zu versuchen, endlich der zu sein, der ich bin? Oder um mich endgültig abzusondern und zu sagen, ich gehöre nicht zu euch? Vermutlich ein bisschen von beidem. Auf alle Fälle erfordert es Überwindung, mich zu zeigen. Gleichzeitig weiß ich, dass das Sichzeigen andere Möglichkeiten birgt, andere Freiheiten.“

Das Geheimnis, das Geiger nun öffentlich preisgibt, besteht in seiner Lieblingsfreizeitbeschäftigung: Er klettert gerne in Altpapiertonnen und sucht nach Büchern, Briefen, Dokumenten aller Art. Er untersucht sie, liest sie, verwendet sie selbst für seine Texte oder verkauft sie dann auf Flohmärkten. Anhand dieses, seines bislang geheim gehaltenen Hobbys, erzählt er von der Geschichte und Entstehung seines bislang veröffentlichten Gesamtwerkes. Chronologisch werden die Inspirationsquellen seiner Romane abgeklappert und mit Hintergründen versorgt. Es ist also im Grunde eine Retrospektive mit privat-intimem Einschlag:

„Mir ist klar, ein Buch über mich selbst, das ist schwierig, schwieriger als ein Roman. Ich bringe das Erlebte in eine erzählbare Ordnung und bin gleichzeitig viel zu sehr Künstler, als dass eine Art Chronik entstehen könnte. Ich bemühe mich um Aufrichtigkeit, ja klar. Aber auch Aufrichtigkeit ist eine persönliche Sicht der Dinge und nicht realisierbar, selbst nach den strengsten Richtlinien. Das Erzählte ist nie wahr.“

Geiger bespricht alles kursorisch, nichts gründlich. Er verharrt nirgendwo länger und schreitet schnell voran. So erzählt er sein Leben und seine verschiedenen Liebesbeziehungen, die Geschichte seiner Eltern und die Krankheiten, die diese im Alter ereilen. All dies aber nie detailliert und langsam genug, dass sich ein Eindruck ergäbe. Vielmehr scheint Geiger davon auszugehen, dass sein Publikum bereits alles über ihn weiß bis eben auf sein Altpapiertonnen-Herumwühlerei. Nur sehr selten wird die Sprache etwas narrativer, stilistisch-raffinierter:

„Doch während meine Vorfahren diesen finster heraufkriechenden Morgen auf dem Land kannten mit Feuermachen und den im Stall sich rührenden, rumpelnden Kühen, kenne ich ihn in der Großstadt, wo die Füchse geduckt, scheu um sich spähend, zu ihren Bauten zurückkehren, bevor die Leute mit den selbstbewussten Hunden Spaziergänge machen. Die Eichkatzen suchen sich ein Frühstück.“

Diesen Morgen kennt er von seinen Runden durch die Innenhöfe, um die Mülltonnen nach Brauchbaren zu durchsuchen, und solche Sätze sind Mangelware in dem kurzen und knapp gehaltenen Buch über Geigers glückliches Geheimnis. Die meisten Sätze sind so kurz wie der Inhalt offensichtlich ist. Wer also schon immer mal mit Arno Geiger eine Unterhaltung führen wollte, ist mit dem Kauf dieses Buches gut beraten, und wer immer schon einmal von Arno Geigers Liebesgeschichten mehr wissen wollte, der erfährt auch ein paar pikante Details, wer aber Arno Geiger im Grunde nicht kennt und höchstens seine Bücher interessant findet, wird es vielleicht schwerer haben, die Lektüre voranzutreiben.

Arno Geigers „Das glückliche Geheimnis“ ähnelt sehr Emmanuel Carrères „Yoga“, Martin Walsers „Das Traumbuch“, Jan Faktors „Trottel“ oder Ferdinand von Schirachs „Nachmittage“. Es besteht aus kleinen Anekdoten rundum sein Leben, nur wohlerzogener und sprachlich etwas vorsichtiger und auch humorloser.


Marie Gamillscheg: „Aufruhr der Meerestiere“

Lakonische Traumaverarbeitung mit dystopischen Abgründen

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Mit „Die Verwirrungen des Zögling Torleß“ debütierte einst Robert Musil. In ihm ging es um die Abgründe beim Aufwachsen innerhalb eines Internats, um die Probleme, die Welt intellektuell und emotional zu verarbeiten. Mit anderen Worten, es wurde die Entwicklung eines mehr oder weniger  anschlussfähigen Narratives nachvollzogen, mittels dessen sich der Jugendliche zu orientieren und der Erwachsenenwelt zu stellen versuchte. Marie Gamillscheg unternimmt in „Aufruhr der Meerestiere“ Ähnliches, nur etwa ein Jahrzehnt um die Studienjahre an der Universität verzögert und mit Luise, einer Nachwuchswissenschaftlerin, als Protagonistin:

„Luise musste raus aus dieser Wohnung. In Eile legte sie sich Schicht um Schicht auf, dunkle Schminke, helle Schminke, Puder, übermalte das Kind, zog sich die Erwachsene mit einer leichten khakifarbenen Jacke an, fast Blazer, aber eben doch nicht, gerade noch Jacke, gerade noch schick genug, gerade noch so, dass es aussah, als würde man sich keine Gedanken machen. Sie strich ihre Augenbrauen gegen den Strich und wieder zurück, sie fasste sich an die Wangenknochen. Würdest du für ein schöneres Gesicht töten? Die Landschaft sagte: Natürlich.“

Luise forscht an der Meerwalnuss, einer Qualle, deren lateinische Bezeichnung „Mnemiopsis leidyi“ lautet und an die Worte „Mnemosyne“ und „Leid“ gleichermaßen erinnert. In der Tat handelt es sich bei Gamillschegs Roman um eine Spurensuche in der Vergangenheit. Die Protagonistin versucht mittels Introspektion eine Standortbestimmung durchzuführen, zwischen Graz und Kiel, zwischen Wissenschaft und Privatleben, zwischen der Erwachsenenwelt und ihren Kindheitserinnerungen.  Motiviert wird die Introspektion durch das Leid an ihren Essstörungen, an ihren Beziehungsproblemen, an den im Dunklen liegenden, verstörenden Kindheitserlebnissen mit dem Vater und der Untreue der Mutter, die in der Scheidung der Eltern gipfelten.

„[Luise] hörte, wie die Mutter sich von der Musik wegbewegte, wie sie eine Tür öffnete und schloss, dann sagte sie: Ich glaube, die Männer sind mit mir zusammen, weil sie vor dem Tod weglaufen. Und du bist mit ihnen zusammen, weil du nicht alleine sein willst? Ich bin mit ihnen zusammen, damit ich mehr über den Tod weiß als alle anderen. Luise legte auf. Dieser Abend im Wohnzimmer, als sie von der Trennung der Eltern erfuhr. Vor ihr der Fernseher, in dem jeden Samstagvormittag Schilling die Welt erklärte, jetzt war der Bildschirm schwarz.“

In lakonischer Weise werden die Tage einer Dienstreise nach Graz erzählt. Luise pendelt zwischen der Wohnung des Vaters und dem Grazer Zoo hin und her, hält Vorträge, erinnert sich, besucht die Mutter und sorgt sich um den Vater, der bei Luises Bruder nach einem Herzinfarkt gepflegt wird. Vermittelt wird der Plot durch Beschreibungen und Spekulationen rundum die Meerwalnuss:

„[Luise] erzählte [Juri] von der Meerwalnuss, diesmal nicht, um ihn zu beeindrucken, sondern um ihm zu beweisen, dass es ihr wirklich nicht um Titel und Einladungen ging, sondern dass es für die Welt wichtig war, von diesen Tieren zu erfahren und zu lernen, wie sie sich so massiv ausbreiten und selbst im schlimmsten Gewässer überleben konnten. Juri schwieg dazu. Verstehst du denn nicht, sagte Luise. Da ist ein Aufruhr in den Ozeanen, von dem niemand wissen will.“

Zwischen Anorexie, angedeutetem Kindesmissbrauch, zwischen Klimawandel und Naturkatastrophen und den Problemen einer jungen Wissenschaftlerin, innerhalb der akademischen Forschung ernstgenommen zu werden, pendelt der Roman stilistisch konsequent unentschieden herum. Die Welt liegt zersplittert vor der Protagonistin und lässt sich so einfach nicht mehr zusammenfügen. Das Narrativ existiert schlichtweg nicht. Die Ordnung der Dinge rückt in weite Ferne.

Auf seine Weise bildet der Roman die Zusammenhangs- und Haltlosigkeit von Luises Welt formal wie inhaltlich sehr überzeugend ab. Er erinnert deshalb an Sylvia Plaths „Die Glasglocke“, nur ohne die intensiven Bilder, und auch Musils „Törleß“, nur ohne die philosophischen Einlagen und psychologischen Reflexionen, oder an Judith Hermanns „Sommerhaus, später“, nur ohne Nostalgie und sich selbst genügsamer lyrischer Sentimentalität. Der Roman bleibt in seinen Abgründen stecken, und das ist wahrscheinlich auch so gewollt.


Robert Menasse: “Die Erweiterung”

Ungeduldiges Erzählen den Nachrichtenticker entlang

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Romane haben es in der Tat schwer im Zeitalter der aufmerksamkeitserheischenden Schnellmeldungen und -medien. Ihnen fehlt es oft an Pointiertheit, Schnelligkeit, an Rasanz. Wie nun diese Forderung mit der modernen Erzählhaltung der Zeitdiagnose verbinden? Wie von einer unübersichtlichen Welt knapp und schnell übersichtlich berichten? Es hört sich wie die Quadratur des Kreises an, und ist es auch. Robert Menasse nimmt den Stier dennoch bei den Hörnern und versucht das Unmögliche:

„Darunter die Blätter zum Abreißen. Auf jedem war untereinander vermerkt: Monat, Woche, Tag, Wochentag, Geburtstage, Namenstage und ein Sinnspruch, Zitat oder Aphorismus. Schwarz auf weiß, nur die Sonntage waren rot. Er riss das Blatt vom Vortag ab. Heute war September, 39. Woche, der 23., Mittwoch, geboren war an diesem Tag Jimi Hendrix (1942), Namenstag hatten Jakob, Ute, Virgil und Modestus. Darunter stand der Satz des Tages: »Die Ungeduld verlangt das Unmögliche, nämlich die Erreichung des Ziels ohne die Mittel. G. W. F. Hegel«“

Menasses neuester Roman „Die Erweiterung“ handelt von einer Balkankonferenz mit dem Thema EU-Südosterweiterung, die Polen veranstaltet und in die Albanien große Hoffnungen setzt, um das Ziel EU-Mitgliedschaft schnell zu erreichen. Vorangetrieben wird die Handlung durch Polens und Albaniens Spiegelhaftigkeit. Polen, bereits Mitglied der EU, beugt sich nicht den Justizreformen. Albanien, noch kein Mitglied, setzt alle Mittel in Bewegung, um alsbald eines zu sein. Träger der Handlung sind hauptsächlich Adam aus Polen nun in Brüssel und Ismail in Tirana, beide sind jeweils von ihren besten Freunden, Mateusz und der ZK, jeweils Ministerpräsidenten, enttäuscht worden. Beide haben sich Großes erhofft. Beide müssen der Realität in die Augen sehen:

„Adam und Mateusz, die blutjungen Widerstandskämpfer, noch halbe Kinder, standen an diesem Tag an einem Fenster der Anwaltskanzlei Guciński i Synowie, der anerkannten Rechtsvertreter der Solidarność, an der Ulica Marszałkowska, und blickten hinunter auf die Fahnen schwingende Menge. Neben ihnen, als Zeugen des grotesken Gesprächs zwischen Adam und Mateusz, standen Senior-Anwalt Jakub Guciński und der Soldat der Kämpfenden Solidarność Piotr Szczęsny – der kurz vor der Befreiung euphorisch, nach der Wende aber enttäuscht war, depressiv wurde und sich später selbst verbrennen sollte.“

„Die Erweiterung“ zeichnet sich durch einen kriminologischen Stil aus. Viele Cliffhanger verlocken zum schnellen, fast oberflächlichen Lesen. Ein-Wort-Sätze jagen einander. Dialoge, nur skizziert, zeigen, dass die Erzählhaltung alles zur Sprache kommen lassen will, aber deshalb, unterschiedslos, nur eine Makulatur von Erzählung, Roman, ja Literatur zustandebringt. Die Figuren doppeln sich. Ganze Sätze wiederholen sich. Wie auf einem Reißbrett entworfen hangelt sich der Plot von einer Pointe zur nächsten. Leicht lesen lässt es sich durch die Vielzahl an Handlungsfäden. Die zur Chiffren reduzierten Sätze lassen so etwas wie Langeweile gar nicht erst aufkommen.

„Kommissar Franz Starek war ein zutiefst lethargischer Mann. Man durfte aber seine Lethargie nicht mit Gemütlichkeit verwechseln, er konnte sehr ungemütlich werden. Er hatte seine unverbrüchlichen Vorstellungen von Moral, vom korrekten Leben, von Anstand, und nach zwanzig Jahren in leitender Position, die zugleich wegen seines Mauerblümchen-Daseins in der Institution eine Karriere-Sackgasse war, jene Gelassenheit, die in Wien mit »sich nix sch[…]ßen« bezeichnet wurde. Wenn ihn etwas hochgradig irritierte oder wenn er etwas für falsch hielt, dann konnte er selbst hochrangige Beamte im Bundeskriminalamt so anbrüllen, dass sie mit Verdacht auf Tinnitus in Krankenstand gingen.“

Selbstredend lässt sich ein lethargischer Mann mit cholerischen Anfällen genauso wenig vorstellen, wie jemand, der gelassen und gemütlich ist und unverbrüchliche Vorstellungen von Moral, von Anstand besitzt, aber seine Kollegen ins Krankenhaus schreit. Diese Skizzierung zeigen schon die Schwächen wie die Stärken von Robert Menasses neuestem Roman „Die Erweiterung“. Er versucht erst gar nicht eine verbindliche, überzeugende Welt zu schaffen. Dem Effekt wird alles untergeordnet. Franz Starek, bspw., kann aufgrund solcher Beschreibung keine Figur werden, da ihr alles und jedes zu jedem beliebigen Zeitpunkt zu tun erlaubt ist. Langweilig wird der Roman genauso wenig wie Fahrstuhlmusik. Sie gibt dazu keinen Anlass. Menasse auch nicht. „Die Erweiterung“ gleicht in vielerlei Hinsicht Orhan Pamuks „Die Nächte der Pest“ und Michel Houellebecqs „Vernichten“. Diese Romane kapitulieren vor ihrem eigenen Erzählgegenstand und verlieren sich in Selbstironie und Selbstbezichtigung. Ihnen geht es wie Franz, der über ein Bier mit seinem Cousin über die Vergänglichkeit räsoniert:

„Sie philosophierten über das Vergehen der Zeit, und darüber, dass sie plötzlich nicht mehr offen vor ihnen lag. Manchmal denke ich, nicht die Zeit vergeht, wir vergehen, bis wir nicht mehr hineinpassen in die Zeit, wie sie ist. Du mit deinen Sprüchen! Dann wieder Schweigen, Nippen am Bier. Am Ende eine Umarmung. Danke, hat er gesagt.“

Aber vielleicht ist es ein unterschätztes Kunststück, ein langes Buch zu schreiben, das nichts zurücklässt. Sollte dem so sein, ist es Robert Menasse als Zeitkritik durchaus gelungen.


Slata Roschal: „153 Formen des Nichtseins“

Von Mitmenschen und anderen Hindernissen

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Slata Roschals Roman „153 Formen des Nichtseins“ beginnt beschwerlich. Die Sprache ist trocken, einfach, fast schnöde und einfallslos zu nennen. Dokumentarisch, in Copy&Paste-Manier wird von den Zeugen Jehovas, von dem Leben einer russischsprachigen Familie in Nordostdeutschland, von den Wünschen und Träumen, den Siegen und Niederlagen eines heranwachsenden Teenagers geschrieben, der zudem früh Mutter wird und sich zugleich in der akademische Landschaft zu behaupten versucht. Keiner Wunder, dass da viel auf der Strecke bleibt:

„Auch wünschte ich mir vieles, Unsterblichkeit zum Beispiel für Emil und Artur, oder meinen Tod als ersten, dann wären sie aus meiner Perspektive unsterblich geworden, ich wünschte mir, endlich ein Buch und dann ein zweites zu schreiben, meiner Existenz damit einen Sinn zu verleihen, sie umzuleiten ins Produktive, ich wünschte mir immer schon eine Katze und guten Tee in einer antiken Keramikdose, die nie leer wird, wünschte mir, sechs Kilo weniger zu wiegen, einmal in die Karibik zu fahren, nach Australien zu ziehen, aber deswegen erlaubte ich es mir noch immer nicht, an eine Neue Welt zu glauben.“

Thematisch wird alles durcheinander gewürfelt und stilistisch auch. Es gibt Dialogformen wie in einem Theaterstück. Es gibt Wörterbuchausschnitte, Tabellen. Es gibt Briefe, E-Mails und Zeitungsannoncen, auch Ebay-Inserate und Lobgesänge aus den Gesangbüchern der Zeugen Jehova, sogar Interviews und Sprachbögen zum Selbstausfüllen und eine Seite für eigene Notizen. Nur richtig erzählt wird nicht. Erzählung, Plot, Spannung, narrative Einbettung? Fehlanzeige. Literatur als bloßer Selbstverständigungsprozess:

„Immer schon hatte ich gesagt, ich will Schriftsteller werden, nicht Bankkauffrau, nicht Bibliothekarin, auch keine Schriftstellerin, immer Schriftsteller, seit der Grundschule. Und wenn ich es immer gesagt und ernst gemeint habe und es nachweisbar ist durch Tagebücher, Schulzeitungen und Zeugenaussagen, warum, wie sollte ich etwas anderes werden, wo es das Einzige ist, das ich jemals werden konnte.“

Die Voraussetzung, es werden zu müssen, weil nichts anderes möglich ist, ist denkbar schlecht, auch für gelungene Prosa. Um Prosa handelt es sich auch kaum, eher um eine sehr avancierte Form eines epischen modernen Gedichtes, in denen die aperçus, Aphorismen, kurzen Kapitel und Abschnitte wie Strophen gleichen, balladeske Verformungen des Alltags, eine Ode auf den Selbstbehauptungsversuch mit allen Fallstricken und Niederlagen und kleinen Siegen.

„Ausgerechnet am gleichen Tag fragt mich eine Konferenzteilnehmerin, wo ich herkomme, ursprünglich. Ich erröte, zucke, öffne weit den Mund und spucke aus: Aus Sankt Petersburg. Sie nickt, sie kennt die Stadt, viel besser als ich, und ich hasse sie dafür ‒ und für ihre Frage. Sie ist dick, denke ich mir sofort, mit einem riesigen Hintern, was soll sie mir zu sagen haben, aber der Stachel bleibt und ich bin froh, dass die Konferenz zu Ende geht und diese Frage nur einmal gestellt wird. Damit es auch dabeibleibt, setze ich mich in der Mittagspause von allen weg und ziehe ein so grimmiges Gesicht, dass es keiner wagt, sich neben mich zu setzen.“

Gehasst wird in „153 Formen des Nichtseins“ sehr viel, die Eltern, das System, die Not, die Armut, das sinnlose Jobben, die Verlogenheiten und Erbärmlichkeiten der Mitmenschen. Was aber dürftig beginnt, muss so nicht enden. Slata Roschal gelingt das Kunststück, dass eine Art Sound entsteht, eine Weltgefühl transportiert, tatsächlich eine Färbung und Konkretion entsteht, die Authentizität nicht zur bloßen Phrase verurteilt. Pointillistisch und impressionistisch ergibt sich eine verschrobene Form, die Lust auf mehr macht. In Schreibhaltung und Emphase Marlen Haushofers „Die Wand“ und Sylvia Plaths „Die Glasglocke“ sowie Ingeborg Bachmanns „Malina“ verwandt, erreicht sie stilistisch nicht deren Intensität und Kondensiertheit, aber vieles deutet darauf hin, dass „153 Formen des Nichtseins“ viele Schritte (153?) in die Richtung gewesen sind.


Noemi Somalvico: „Ist hier das Jenseits, fragt Schwein“

Farm der Tiere, nur friedlich.

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Verlorenheit, Sinnlosigkeit, Einsamkeit kennen alle irgendwie. Noemi Somalvico verlässt geschlechts- und kulturspezifische Kontexte, Zeit und Raum lokalisierte Klischees, indem sie diese Gefühle von Tieren ausleben und aussprechen lässt. Hier spielt nichts mehr als der emotionale Gefühlszustand eine Rolle. „Ist hier das Jenseits, fragt Schwein“ impliziert keine exkludierende Ursprungssuche. Gott und die Welt der Tiere leiden und wissen das auch:

„Zu Hause setzt Gott sich vors System. Er schaut zu, wie sich die Erde dreht. Er schaut zu, wie der Mond leuchtet. Dann setzt er die Fernbrille auf und guckt in eine Stadt. Guckt in ein Haus, in eine Wohnung, schaut einem Schwein zu, das mit geschlossenen Augen, genau wie er gestern, an einem Tisch, vor einem leer gegessenen Teller sitzt. Man sollte die Erde keinem Melancholiker überlassen. Die Wesen, die darauf leben, werden nach seinem Ebenbild geschaffen sein.“

Die Sprache ist pointiert, kurz, rhythmisch, schnörkellos. Sie agiert bauklötzenhaft, stereotypisch, atomar gleichförmig und unterstützt das erzählerische Setting, das den Tieren das Geheimnisvolle lässt. Die ganz und gar nicht psychologisierende, reflektierende, in sich zurückgebogene Beobachterperspektive hält einfach die Kamera aufs Geschehen. Das Schwein leidet. Der Dachs erfindet. Gott langweilt sich. Das Reh ist traurig. Hirsch und Biber sind gemein und nicht an dem Reh, respektive dem Schwein interessiert. Was also tun? Zum Glück hat Dachs eine Maschine entwickelt, die eine Reise zu Gott erlaubt und Gott selbst überrascht:

„Er gab den Apparat Gott. Sein Gewicht war beachtlich für die unauffällige Grösse. Ein Hebel, links stand Hin und rechts Zurück. Darunter leuchtete ein Lämpchen grün.
»Sie sind quasi mein Erzeuger«, sagte Dachs.
Da hätte Gott das Ding beinahe fallen lassen. So was hatte in aller Ewigkeit noch nie jemand zu ihm gesagt.“

Der locker und leicht geschriebene Roman besitzt heitere und traurige, teilweise sehr bedrückende Momente. Leicht hat es weder Schwein noch Reh noch Gott. Der Kosmos spielt irgendwie nicht mit. Zum Glück haben sie einander, und so bilden sie eine unwahrscheinliche WG, die sich insbesondere darin auszeichnet, dass sie sich gegenseitig nicht zu bekehren, zu verändern, zu manipulieren versuchen. Schlussendlich gehen sie auf eine Reise in das Jenseits, das sich als Wüste und dann als 3-Sterne-Ressort entpuppt, in welchem jedoch Gott schwer erkrankt:

„Am folgenden Abend ist es Dachs, der fragt: »Was ist das für ein Ort?«
Schwein meint dieses Mal, es spiele wohl kaum keine Rolle, wo sie sich aufhalten. Es wäre ihm bei bestem Wille nichts Schöneres eingefallen fürs Jenseits. Der Himmel in der Ferne wird bisschen rot, bisschen violett.
Gott fröstelt.“

Der kurze Roman überzeugt durch seine Pointiertheit. Die Maschine vom Dachs wird genauso wenig erklärt, wie die Probleme der Hauptfiguren auf Situationen und Konflikte zurückgeführt werden. Es passt nicht. Es klappt nicht. So ist es, und alle bleiben irgendwie traurig und verdattert zurück. Die Moral von der Geschichte lautet vielleicht, dass der Blick zurück wenig einbringt, zu hadern nicht lohnt und eine Reise viele Wunden heilt und Narben zum Verschwinden bringt. Der melancholische Unterton bleibt. Die Stilsicherheit überzeugt. Somalvico belehrt nicht. Sie erzählt und zwar eine Fabel wie George Orwell nur ohne alle Tragik und politische Konnotationen. Auf diese Weise gelingt ihr, was vielen nicht gelingt, ein Kosmos zu erschaffen, in welchem das Leiden von Schwein zutiefst betrübt und Gott sympathisch erscheint. Von unter 150 Seiten mehr zu erwarten, wäre schlichtweg unfair.  


Moritz Baßler: „Populärer Realismus“

Ist das noch Literatur, die Gegenwartsliteratur?

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Moritz Baßler, seines Zeichen Literaturwissenschaftler an der Universität Münster, fühlt in seinem neuesten Buch „Populärer Realismus“ den aktuellen Bestsellern und Buchpreisbüchern auf den Zahn. Die Gegenwartsliteratur zeichne sich durch Realismus aus, und Realismus bedeutet für Baßler, dass die Sprache als Medium nicht in Erscheinung tritt, sondern nur als Mittler, als unsichtbares Zeichensystem, das direkt in die Welt der Erzählung leitet:

„Der Realismusbegriff, der in diesem Buch verwendet wird, bezieht sich also ausdrücklich auf die Machart der Texte und nicht auf ihren Inhalt. Gespenstergeschichten, Science-Fiction und Fantasy-Romane enthalten zwar Dinge, die in unserer Realität womöglich nicht vorkommen (Gespenster, Vampire, Androiden, Drachen, Zauberer). Sie sind aber trotzdem realistisch erzählt […]“

Die Differenz, die Baßler anbietet, besteht zwischen Diegese, die Allheit der erzählten Welt, und Mimesis, die Anverwandlung an die Erzählposition. Traditionelle Romane wie von Virginia Woolf „Zum Leuchtturm“ oder Hermann Broch „Der Tod des Vergils“ betonen qua Wortwahl und Rhythmus ein situatives, dechiffrierendes Lesen, in welchem das Lesen sich als Tätigkeit stets bewusst bleibt, also eine Vermittlungsleistung zwischen Schreiben und Lesen im Akt vollzogen wird. Romane des Populären Realismus, so Baßler, lassen die Zeichenwelt verschwinden und ziehen ihr Publikum direkt in die verhandelte Welt, d.h. das Universum von Romanen wie „Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann, Bernhard Schlinks „Der Vorleser“ oder Christian Krachts „Eurotrash“ ist bereits das bekannte, durch Medien und andere Bücher vorverdaute Universum, auf das nur verwiesen, das nicht mehr beschrieben zu werden braucht. Laut Baßler handelt es sich hier strenggenommen nicht mehr um Literatur:

„Überhaupt trifft alles hier Gesagte für Fantasy-Literatur, als Inbegriff des Populären Realismus, ziemlich genau zu. Um also auf die Ausgangsfrage dieses Kapitels zurückzukommen, ob Fantasy überhaupt noch in einem emphatischen Sinne Literatur ist, muss die ehrliche Antwort wohl lauten: Nein!“

Was übrigbleibt, im Kontext der neuen Schreibweise, besteht im direkten Bejahen dieser Ambivalenz, das wäre die Popliteratur nach Christian Kracht oder Benjamin Stuckrad-Barre, oder das Verschleiern dieser Ambivalenz durch Übernahme von Topoi, Duktus und Stil, ohne je den Zeichencharakter des Textes in den Fokus geraten zu lassen, das wäre Populärer Realismus im Sinne von Daniel Kehlmann oder Martin Mosebach. Beide Formen erzählen realistisch. Beide Formen haben nichts mit dem Versuch der Literatur gemein, neue Sinnlichkeitsformen poetisch emergieren zu lassen. Der Unterschied besteht nur in der sich selbst zugedachten Rolle. Ironisiert Kracht, belehrt Kehlmann. Setzt sich Stuckrad-Barre nicht mehr in die Tradition eines Thomas Mann, imitiert Mosebach gerade diesen:

„Populärer Realismus und Pop-Literatur, deren beider Merkmale sich in „Tschick“ [von Wolfgang Herrndorf] finden, sind also, so betrachtet, Alternativen auf dem Feld einer neuen realistischen Erzählliteratur. Leitkunst des Populären Realismus ist der Spielfilm: Plotting, dominante Story, Linearität, Schließung und Naturalisierung. Er macht dabei tendenziell unsichtbar, was die Pop-Literatur ausdrücklich betont: die Äquivalenz, die Nebenordnung von Möglichkeiten: Dominanz der Diegese, des Archivs, Markenparadigmen, Parallelwelten, auch Serialität, verbunden mit einer Schwächung der Handlung, oft des Narrativs selbst.“

Baßler stellt sich klar auf die Position der Pop-Literatur. In diesem Sinne untersucht er u.a. Sebastian Fitzeks „Der Heimweg“, Daniel Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“ und Sharon Dodua Otoos „Adas Raum“ und andere in der Kategorie Populärer Realismus, und Dietmar Dath „Gentzen“ und Christian Krachts „Eurotrash“ und Wolfgang Haas‘ „Müll“ für selbstkritische, selbstreflektierte Pop-Literatur. Die traditionelle Literatur gerät hier unter die Räder, und es wird schlicht und ergreifend behauptet, dass sich die Gegenwartsliteratur nicht mehr mit den Begriffen der klassischen Literatur beschreiben lässt. Diese scharfe Trennungslinie wirkt aber überhastet und verengt Moritz Baßlers Text auf eine gelungene Beschreibung der Gegenwartsästhetik, ohne Anschluss aber an eine kommunikative Produktivmachung dieser dominanten Erzählstrategien für Publikum und Schreibende. Hierfür hätte es eines weniger klassischen Kommunikationsbegriffes bedurft, der kybernetisch auf der Höhe der technologischen Entwicklung sein Ziel nicht in Bewertung und Beurteilung, sondern in der Entfaltung von Mitteilungsmöglichkeiten sieht.




















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