Sigmund Freud: „Jenseits des Lustprinzips“

Einem neuen dynamischen Materiebegriff entgegen.

Einer der Schlüsseltexte der klassischen Psychoanalyse erschien 1921 und heißt Jenseits des Lustprinzips. In diesem Aufsatz führt Sigmund Freud zum ersten Mal den Todestrieb ein, der zu Zerwürfnissen innerhalb der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung führte. Die meisten Psychoanalytiker, bspw. Wilhelm Reich, versuchten weiterhin, Aggression als Reaktion auf sozial auferlegte Entsagung und Frustration zurückzuführen. Sigmund Freud bestand jedoch auf seiner Neuerung, zumal sie einen gesicherten Begriff für die von ihm beobachteten selbstzerstörerischen Tendenzen des Menschen liefert. Die Lektüre von Marie Kjos Fonns Roman Heroin Chic bot nun einen willkommenen Anlass, sich erneut und eingehender mit Freuds metaphysischen Spekulationen auseinanderzusetzen:

Irgend einmal wurden in unbelebter Materie durch eine noch ganz unvorstellbare Krafteinwirkung die Eigenschaften des Lebenden erweckt. Vielleicht war es ein Vorgang vorbildlich ähnlich jenem anderen, der in einer gewissen Schicht der lebenden Materie später das Bewußtsein entstehen ließ. Die damals entstandene Spannung in dem vorhin unbelebten Stoff trachtete darnach, sich abzugleichen; es war der erste Trieb gegeben, der, zum Leblosen zurückzukehren.

Sigmund Freud aus: „Jenseits des Lustprinzips

Die These von Freuds Todestrieb findet keine wirkliche Ruhe und gibt weiterhin Anlässe zu Kontroversen. Im Folgenden nun eine detaillierte Rekonstruktion von Freuds Argument, die vielleicht die Stärken, aber auch Schwächen des Aufsatzes herausstreichen, ohne aber wie so oft in Bezug auf Freud in ungerechtfertigte Verkürzungen und Polemisierung abzuschweifen. Der Aufsatz umfasst sieben Kapitel. 

Inhalt/Argumentation:

Im 1. Kapitel stellt Freud das Lustprinzip vor, nach welchem die Psyche danach strebt, Spannung abzubauen. Dieser Spannungsabbau wird als Lust empfunden. Suspendiert wird das Lustprinzip, in dieser älteren Vorstellung, nur vom Realitätsprinzip:

Unter dem Einflusse der Selbsterhaltungstriebe des Ichs wird [das Lustprinzip] vom Realitätsprinzip abgelöst, welches ohne die Absicht endlicher Lustgewinnung aufzugeben, doch den Aufschub der Befriedigung, den Verzicht auf mancherlei Möglichkeiten einer solchen und die zeitweilige Duldung der Unlust auf dem langen Umwege zur Lust fordert und durchsetzt.

Freud setzt diese Unlustvermeidung absolut, Spannungsabbau als grundlegendes (kurz- und langfristiges) Ziel. Mit dem Dualismus Realitätsprinzip/Lustprinzip lassen sich die psychischen Phänomene unter Normalbedingungen befriedigend beschreiben, aber ein genauer Blick auf die Reaktionen der Psyche im Falle extremer Gefahr und den Widerstand von Analysanden, ihr Verhalten zu ändern, stellt das Unlustvermeidungsprinzip in Frage. Freud untersucht diese Situation im 2. Kapitel für den Fall extremer Sinnesüberreizung. Nach Unfällen, Verlusten, Abschieden von einem geliebten Menschen zeigen Individuen Wiederholungszwänge:

Indem das Kind aus der Passivität des Erlebens in die Aktivität des Spielens übergeht, fügt es einem Spielgefährten das Unangenehme zu, das ihm selbst widerfahren war, und rächt sich so an der Person dieses Stellvertreters.

Das Nachspielen, ästhetisch oder in Rollen, führt zu Spannungsminderung und fällt insofern noch in den Bereich des Lustprinzips, sobald der Dualismus Ich/Unbewusstes zugelassen wird: Unlust fürs Ich, Lust fürs Unbewusste. Dieser bewusste Wiederholungszwang fordert noch nicht ein Jenseits des Lustprinzips heraus. Der unbewusste aber schon, wie im 3. Kapitel ausgeführt wird, der einer Art Trauma oder Schicksalszwang entspricht, in welchen manche sich gefangen finden und kontinuierlich für das psychische System Stress und Unlust erzeugen:

Angesichts solcher Beobachtungen aus dem Verhalten in der Übertragung und aus dem Schicksal der Menschen werden wir den Mut zur Annahme finden, daß es im Seelenleben wirklich einen Wiederholungszwang gibt, der sich über das Lustprinzip hinaussetzt.

Freuds Schrift Jenseits des Lustprinzip basiert genau auf dieser Beobachtung. Der unbewusste Wiederholungszwang lässt sich nicht dem Lustprinzip subsummieren. Ich/Unbewusstes und Lust-/Realitätsprinzip reichen nicht aus, spezielle Verhaltensweisen zu kontextualisieren, wie sie u.a. durch eine Überreizung des Organismus bewirkt werden. Im 4. Kapitel beginnt Freud nun seine berühmt-berüchtigte, bis heute Anlass zu Kontroversen gebende metapsychologische Spekulation, indem er den Begriff der Überreizung spezifiziert. Sie findet dann statt, wenn Reizungen auf ein unvorbereitetes, psychisches System treffen. Angstbereitschaft erzeugt eine hohe innere Spannung. Sie verhindert, das eine andere Spannung eindringt. Eine niedrige Spannung dagegen erlaubt das Entstehen eines Traumas. Das psychische System wird mit Erregung überschwemmt:

Ein Vorkommnis wie das äußere Trauma wird gewiß eine großartige Störung im Energiebetrieb des Organismus hervorrufen und alle Abwehrmittel in Bewegung setzen. Aber das Lustprinzip ist dabei zunächst außer Kraft gesetzt. Die Überschwemmung des seelischen Apparats mit großen Reizmengen ist nicht mehr hintanzuhalten; es ergibt sich vielmehr eine andere Aufgabe, den Reiz zu bewältigen, die hereingebrochenen Reizmengen psychisch zu binden, um sie dann [erst] der Erledigung [durch das Lustprinzip] zuzuführen.

Diese andere Aufgabe, die des Wiederholungszwanges, um die es Freud in Jenseits des Lustprinzips geht, besteht darin die freie Erregung im Prozess der Rückbindung zu halten. Die ursprüngliche Überreizung wird immer wieder erneut durchgespielt, bspw. durch neurotische Tics oder Alpträume, um Gegenbesetzung aufzubauen und die Erregungen mittels dieser nun bereitgestellten Angstbereitschaft abzubremsen.

Diese Träume suchen die Reizbewältigung unter Angstentwicklung nachzuholen, deren Unterlassung die Ursache der traumatischen Neurose geworden ist. Sie geben uns so einen Ausblick auf eine Funktion des seelischen Apparats, welche, ohne dem Lustprinzip zu widersprechen, doch unabhängig von ihm ist und ursprünglicher scheint als die Absicht des Lustgewinns und der Unlustvermeidung.

Diese Form der Zurückbindung der Erregung bildet das erste Moment, das Jenseits vom Lustprinzip liegt. Der Erregungsbewegung innerhalb des Psychischem findet unter Begleitung von Unlust und durch einen Wiederholungszwang statt. Es gibt eine dem Bewusstsein vorgelagerte Vorgeschichte der Erregung. Das Bewusstsein erscheint, wie in Der Traumdeutung ausgeführt, als Sekundärsystem, die fließenden Erregungen, die Triebe, als Primärsystem, das erst unter die Herrschaft des Lustprinzip, der normalen Träume, gebracht werden muss. Fließend bleiben die Erregungen durch die Triebe, für die Freud nun eine überraschende Definition im 5. Kapitel bereithält:

Ein Trieb wäre also ein dem belebten Organischen innewohnender Drang zur Wiederherstellung eines früheren Zustandes, welchen dies Belebte unter dem Einflusse äußerer Störungskräfte aufgeben mußte, eine Art von organischer Elastizität, oder wenn man will, die Äußerung der Trägheit im organischen Leben.

Freud sieht in den Trieben nun einen konservativen Mechanismus, einen regressiven, und nicht mehr  progressiven, auf Veränderung drängenden, wie vorher üblicherweise angenommen wurde und meistens noch wird. Er unterscheidet zwei Triebe: einen assimilierenden, nach Verschmelzung drängenden Eros, und einen dissimilierenden, nach Zersetzung strebenden Thanatos.

Es ist wie ein Zauderrhythmus im Leben der Organismen; die eine Triebgruppe stürmt nach vorwärts, um das Endziel des Lebens möglichst bald zu erreichen, die andere schnellt an einer gewissen Stelle dieses Weges zurück, um ihn von einem bestimmten Punkt an nochmals zu machen und so die Dauer des Weges zu verlängern.

Der Thanatos versucht, das Organische in ein Anorganisches zu verwandeln, und greift sein Trägermedium, den Organismus, hierfür selbst an. Er zersetzt ihn, zehrt ihn aus und erschöpft ihn, um die Erregung und Spannung loszuwerden. Der Eros indessen sucht die Verschmelzung mit einem anderen Organismus, um sich dort zu reproduzieren, um dort ein neues, gleichartiges Leben zu starten. Er gibt ab, stößt ab, sondert ab. Freud denkt beide Triebe explizit gleichgeordnet:

Aber wenn auch Sexualität und Unterschied der Geschlechter zu Beginn des Lebens gewiß nicht vorhanden waren, so bleibt es doch möglich, daß die später als sexuell zu bezeichnenden Triebe [Eros] von allem Anfang an in Tätigkeit getreten sind und ihre Gegenarbeit gegen das Spiel der »Ichtriebe« [Thanatos] nicht erst zu einem späteren Zeitpunkte aufgenommen haben.

Nach diesen metapsychologischen Erwägungen widmet Freud das 6. Kapitel einer längeren Diskussion seiner These vor dem Hintergrund des damals aktuellen Wissenstandes und findet keine Widersprüche. Argumente für seine These findet er jedoch lediglich, zu seinem eigenen Bedauern, bei Dichtern und Philosophen: Schopenhauers Die Welt als Wille und Vorstellung für den Todestrieb, Platons Symposium für den Eros. Diese plausibilisieren eine existenzielle Vitaldifferenz:

Das [dass die Erneuerung des Lebens durch Zufuhr neuer Reizgrößen stattfindet] stimmt nun aber gut zur Annahme, daß der Lebensprozeß des Individuums aus inneren Gründen zur Abgleichung chemischer Spannungen, das heißt zum Tode führt, während die Vereinigung mit einer individuell verschiedenen lebenden Substanz diese Spannungen vergrößert, sozusagen neue Vitaldifferenzen einführt, die dann abgelebt werden müssen.

Im abschließenden 7. Kapitel diskutiert er die Beziehung zwischen Lust-/Realitätsprinzip und den Todes-/Sexualtrieb. Das Lustprinzip, so Freud, das Ich, das Über-Ich, haben als Aufgabe, Erregungen zu binden:

Wir haben es als eine der frühesten und wichtigsten Funktionen des seelischen Apparates erkannt, die anlangenden Triebregungen zu »binden«, den in ihnen herrschenden Primärvorgang durch den Sekundärvorgang zu ersetzen, ihre frei bewegliche Besetzungsenergie in vorwiegend ruhende (tonische) Besetzung umzuwandeln.

Das Sekundärsystem steht so ganz im Dienste des Primärsystems, das die Spannung aufbaut, um sie vom Sekundärsystem abbauen zu lassen. Insofern erscheint das psychische System als ein Versuch, Erregungsabbau herbeizuführen. Der Todestrieb speichert, wiederholt, hält die Erregung in Bewegung. Das Lustprinzip bindet sie.

Anschluss/Ausblick:

Die Kritik auf Sigmund Freuds Konzeption hallt bis heute nach. Viele belustigen sich über seine metaphysischen Spekulationen, die, so die Meinung von vielen, jedweder Begründung und Plausibilität entbehren oder zumindest unverständlich und zusammenhangslos bleiben. Beispielsweise schließt Erich Fromm, selbst Psychoanalytiker, in seinem Buch Anatomie der menschlichen Destruktivität:

Freud dachte in abstrakten theoretischen Begriffen, wobei er stillschweigend annahm, daß alles, was nicht Liebe ist, Todestrieb ist, da jede Tendenz unter die neue Dualität zu subsumieren war. Die Folge davon, daß er verschiedenartige und zum Teil widersprüchliche psychologische Tendenzen in eine Kategorie packte, ist die, daß man keine davon richtig versteht.

Erich Fromm aus: „Anatomie der menschlichen Destruktivität“

Freuds Denken, wie die obige Zusammenfassung gezeigt hat, lässt sich aber nicht als binäres, als Tertium-Non-Datur-Denken verstehen. Der Todestrieb, so wie er ihn einführt, stellt kein Komplement zum Liebestrieb dar. Beide Triebe besitzen ihre eigene, sehr unterschiedliche Form, mit dem Erregungszustand umzugehen. Das Komplement wäre vielmehr die Ruhe, das, was sich nicht in Erregung befindet, und das ist für Freud weder Todes- noch Liebestrieb, gebundene, sich prozessierende Zustände einer seiner selbst gewissen Gesundheit. Die Kritik von Fromm, selbst Freudschüler zweiten Grades, trifft nicht.

Jacques Lacan, ein anderer namhafter Psychoanalytiker, findet sogar in seinem Seminar VII, Die Ethik der Psychoanalyse, noch klarere Worte:

Ich bin nicht dabei, Ihnen zu sagen, daß der Begriff des Todestriebes nicht an sich etwas sehr Suspektes sei – so suspekt und so lächerlich, würde ich fast sagen, wie die Idee Sades.

Jacques Lacan aus: „Die Ethik der Psychoanalyse“

Seine Kritik läuft darauf hinaus, dass Freud mit dem Begriff des Todestriebes nur die Gültigkeit des Lustprinzips auf das gesamte materielle Leben erweitert, insofern vom Monismus des Lustprinzips über den Dualismus von Eros und Thanatos zum Monismus des Sexualtriebs schreitet. Diese Beschreibung berücksichtigt nicht Freuds Differenz von gebundener und freier Erregung, die Lacans These vom Freudschen Monismus unterläuft.

Ein gemeinsames Moment aller Freud-Kritik, komme sie von Schülern wie Wilhelm Reich oder Erich Fromm, oder von Nachfolgern und Fortsetzern seiner Theorie wie Jacques Lacan oder Cornelius Castoriadis, ist die Übervereinfachung seiner Konzeptionen zu Schlagworten. Jenseits vom Lustprinzip liest sich schwer. Je genauer die Lektüre, desto schwerfälliger beginnt sich der Begriffsapparat zu bewegen. Freud spürt, bei aller Selbstkritik, dass er auf etwas Neues gestoßen ist, auf eine neue Unterscheidung, eine unwahrscheinliche Differenz, weshalb er auch bis zu seinem Tod an der Unterscheidung von Eros und Thanatos festgehalten hat, siehe bspw. Abriss der Psychoanalyse, im Jahr 1938, kurz vor seinem Tod begonnen.

Im Nachhinein lässt sich nämlich in der Unterscheidung dieser beiden Umgangsformen mit Erregung ein neuer, kybernetisch gesättigter und systemtheoretisch geläuterter Materialismus erkennen. Was Freud unterscheidet, sind regenerative Lebens- und Handlungsformen im Unterschied zu exhaustiven, aufzehrenden. Energie aus Fusionsprozessen zu gewinnen, wäre die des Eros, jene aus dem Verbrennen von Rohstoffen, die des Thanatos. Freud unterscheidet insofern strikt, und hier verfehlt Lacans linguistische Kritik ihr Ziel, zwischen Eros und Thanatos, zwischen, bspw. einer Sonne, die leuchtet, und einem Braunen Stern, der lediglich verglüht. Von einem Monismus kann nicht die Rede sein. Auch Fromm begreift nicht, dass Eros und Thanatos kein Komplement, kein Entweder-Oder bilden. Sie sind in der Tat windschief zueinanderstehende Handlungsformen, mit Erregung, mit Unruhe, mit Rastlosigkeit umzugehen.      

Freuds Jenseits des Lustprinzips entfesselt einen neuen Blick auf beliebige, die Welt, den Kosmos durchformende Prozesse. Er sieht den Eros herausgefordert, gegen Verzehrung und Konsumption aufzubegehren, und redet der Möglichkeit das Wort, durch Umlenkung, Horizonterweiterung Energie zu mehren, ohne den Träger der Energie zu zerstören. Ernst Bloch beschreibt eine solche Möglichkeit mit dem Latenzwesen der Weltmaterie:

Unabgegoltenheit meint Unerledigtheit, meint noch nicht erledigte Möglichkeit weiterer Bestimmung, also Utopie: dies Utopische als Fundus jeder Unabgegoltenheit gilt auch hier. Macht den Fundus der Erbbarkeit an Naturbildern aus, besitzt seine Substanz am immer noch nicht entschiedenen Seinsinhalt des Tendenzwesens Natur, Latenzwesens Weltmaterie.

Ernst Bloch aus: „Das Materialismusproblem, seine Geschichte und Substanz“

Freud, ganz und gar nicht Pessimist, hält bis zuletzt an der Möglichkeit einer aufhebenden, sich entfaltenden dynamischen Materie fest. In Jenseits des Lustprinzips hat er den universellen Gegner seiner Theorie, seiner Lehre, seiner Wünsche identifiziert: Den Tod. Der Todestrieb baut Erregung durch Erschöpfung, Verzehrung, Sich-im-Kreis-Drehen ab und zieht die gesamte Trägersubstanz, das Medium der Erregung, in Mitleidenschaft, bis sie erschöpft im Ungleichgewicht zusammenbricht. Eros dagegen verwandelt den Teufelskreis, vermittelt, vereint in einer Aufwärtsspirale weltdurchdringend Inspiration mit Konstitution. Diesen Unterschied grell markiert zu haben, bleibt das Verdienst von Freuds spätromantischer Schrift Jenseits des Lustprinzips, ein in sich verworrener, sich spiegelnder, sich windender Text voller Widersprüche und Konflikte wie die Materie selbst.

7 Antworten auf „Sigmund Freud: „Jenseits des Lustprinzips““

  1. „Energie aus Fusionsprozessen zu gewinnen, wäre die des Eros, jene aus dem Verbrennen von Rohstoffen, die des Thanatos“ Ein Vergleich am Puls der Zeit ! Und das ist wieder eine sehr spezielle Rezension, die dein Lesen wunderbar illustriert: das Gute und Interessante hervorzuheben und nicht das weniger Gute niederzumachen. Wie man sieht funktioniert das sogar mit dem Freud´schen Konzept des Todestriebs .

    1. Alexander Carmele – Ich lese gern, reise viel, laufe Langstrecken, studiere, lerne und bin wissbegierig und interessiert an neuen Erfahrungswelten. Studiert, am Arbeiten, Hobbydenker, Freizeitsportler, offen für moderne Unterhaltung aller Art. Germanistik, Physiker, und blogge herum.
      Alexander Carmele sagt:

      Liebe Myriade, vielen Dank fürs Kommentieren. Ja, im Grunde fasst das meine ganzen Versuche zusammen, das Gute hervorheben, es weiterentwickeln, weiterwabern, neue Anschlüsse suchen lassen. Nicht alles dient sogleich Weiterem. Nicht alles kann sofort verstanden werden, und nicht alles findet sich zusammen zu etwas Neuem. Aber immer wieder die Augen nach solchem offenzuhalten, das mag ich am Lesen, am Forschen. Schön, dass es dir gefallen hat! Viele Grüße!!

  2. gkazakou – Griechenland – Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
    gkazakou sagt:

    Eine hoch interessante Besprechung, lieber Alexander. Entscheidend für die Einschätzung des Freudschen Theoriengebäudes ist das gleich am Anfang gegebene Zitat:
    „Irgend einmal wurden in unbelebter Materie durch eine noch ganz unvorstellbare Krafteinwirkung die Eigenschaften des Lebenden erweckt. ….. es war der erste Trieb gegeben, der, zum Leblosen zurückzukehren.“

    „die ganz unvorstellbare Krafteinwirkung“ ist das große X , das er einsetzt, um die Entstehung von „Leben“ und von „Bewusstseins“ zu ….erklären.

    Freud konzipiert den Lebensprozess als Todesprozess: als permanenten Kampf der unbelebten Materie gegen diese „unvorstellbare Kraft“, die ihre Gesetzmäßigkeit durchkreuzt, indem sie Leben und Bewusstsein erzeugt.

    Freud möchte Naturwissenschaftler sein, aber als Gegenstand hat er sich etwas gewählt, was sich der naturwissenschaftlichen Betrachtung entzieht: die Seele und den Geist.

    Man kann die beiden entgegengesetzten „Triebe“ auch in den Pflanzen bemerken. Das fiel mir kürzlich auf, als ich in Joachim Schlichtings Blog über das Osterfeuer las (https://hjschlichting.wordpress.com/) und dort auch kommentierte: „..bin ich vom zentralen Gedanken fasziniert: dass das Verbrennen eine gewaltsame Umkehrung der Photosynthese ist. Und da Photosynthese die Umwandlung unorganischer Stoffe in organische durch Sonnenenergie ist, ist das Verbrennen die Umwandlung organischer Stoffe in unorganische durch Freisetzung dieser Energie.Die „Schaltstelle“ zwischen Lebendigem und Unlebendigem ist also die Sonne/das Feuer?“- Joachim bestätigte mir die Richtigkeit meines Gedankens: „Genauso ist es. Auch ich bin von Anfang an von diesem zentralen Gedanken fasziniert. Während jedoch der Zerfall in anorganischen Konstituenten (z.B. durch das Feuer) von selbst abläuft, muss die Umkehr (Photosynthese) durch Zufuhr von Sonnenenergie erzwungen werden. Richtig: ohne Sonne läuft da nichts mehr….“

    Mir scheint das im Prinzip den Kern dessen zu treffen, was Freud auch für die Seele meint und du so zusammenfasst:

    „Was Freud unterscheidet, sind regenerative Lebens- und Handlungsformen im Unterschied zu exhaustiven, aufzehrenden. Energie aus Fusionsprozessen zu gewinnen, wäre die des Eros, jene aus dem Verbrennen von Rohstoffen, die des Thanatos.“

    Ohne die Sonne sind die aufbauenden Prozesse in der Pflanze (Fotosynthese, Wachstum) nicht möglich. Beim Verbrennen zerfällt dann das, was geduldig aufgebaut wurde, „in anorganische Konstituenten“.

    Was aber ist die Sonne, dass sie dieses vermag?
    Was ist die Sonne der Seele?
    Was die Sonne des Geistes, dass sie Bewusstsein erschaffen kann?
    Was ist diese „unvorstellbare Kraft“ , die all die „Irritationen“ der Materie hervorbingt, die wir Leben nennen? Diese Frage stellt Freud nicht, und so bleibt seine Seelenvorstellung eine des „Seelenapparates“, dessen chemische Spannungen er untersucht. Eine geistreiche, folgenreiche Arbeit. Dennoch mein abschließendes Urteil: „Thema verfehlt“.

    1. Alexander Carmele – Ich lese gern, reise viel, laufe Langstrecken, studiere, lerne und bin wissbegierig und interessiert an neuen Erfahrungswelten. Studiert, am Arbeiten, Hobbydenker, Freizeitsportler, offen für moderne Unterhaltung aller Art. Germanistik, Physiker, und blogge herum.
      Alexander Carmele sagt:

      Liebe Gerda, ich mag deine Analyse sehr und stimme auch zu. Diese beiden Seiten der Medaille, die Natur- und Geisteswissenschaften zusammenzubringen, gelingt Freud nicht.

      Meines Erachtens zeigt sich hier, das will ich irgendwann noch auszuführen, dass Freud ein Systemtheoretiker, also Kybernetiker ‚avant la lettre‘ gewesen ist. Ihm ging es vielmehr darum, auf Ideen zu kommen, wie Systeme sich weiterentwickeln, Anstöße, Anschlüsse zu finden, so dass sie sich entfalten, Nährstoffe, Botenstoffe, Wortkombinationen dem Geist vermitteln, auf dass Sackgassen und Sich-Selbst-Verzehren vermieden, oder partiell, ausgewichen werden können. Die Antwort hier, wie für die meisten kybernetischen Ansätze, wäre dann, dass das Leben weitergeht, es blüht, es strahlt, und das wäre dann genug.

      Die Essenz wäre dann in der Darstellung dessen, was gemeinhin in Kunst kommuniziert.

      Das Spiegelbild Verbrennung (Sauerstoff wird abgebaut) und Photosynthese (Sauerstoff wird erzeugt) gefällt mir übrigens sehr! Ich hatte für den Text tatsächlich einen astrophysikalischen Exkurs vor (Sternenentstehung unter besondere Berücksichtigung der Bildung von Braunen Zwergen, jene, die keine Sonnen/Sternen werde). Aber der Text hätte dann eine etwas ausschweifende Länge bekommen. Nun bin ich jedoch motivierter, es irgendwann auszuführen 🙂

      Vielen Dank dafür und herzliche Grüße und Danke für den Kommentar!

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