Dass der Kunst- und Kulturbetrieb seine Schattenseiten hat, thematisieren viele Bücher. Magdalena Saigers Debütroman Was ihr nicht seht oder: Die absolute Nutzlosigkeit des Mondes wählt einen Aussteiger aus diesem Milieu, aber anders als Max Frischs Stiller, in welchem es auch um einen Bildhauer, zeitweise um die Schweiz, um einen Aussteiger und Flüchtling aus dem eigenen Leben geht, konzentriert sich Saiger um die produktive, künstlerische Seite dieser Entscheidung und weniger um das persönliche, innere Drama ihres Protagonisten:
An Schlaf war jetzt nicht zu denken, und das lag nicht am vielen Kaffee, hier würde auch der Aquavit nicht helfen, also zog ich mir den Mantel noch einmal über und trat in die Nacht hinaus. Sie war, wenn die Augen sich einmal gewöhnt hatten, hell genug, um die Umrisse von Wald und Grube zu erkennen und nicht ins Bodenlose zu stürzen, und so ging ich im raschen Tempo der Gewissheit, einen Schritt getan zu haben. Ich bewegte mich am Waldrand die Kante entlang, sie zog einen fahlen Halbkreis wie ein Flusstal, ein paar Sterne funkelten in der kalten Nachtluft, ich grüßte sie als meine elektrisierten Freunde.
Magdalena Saiger aus: „Was ihr nicht seht“
Inhalt/Plot:
Der namenlose Ich-Erzähler von Was ihr nicht seht sucht am Anfang des Romans einen Ort, den Google Maps nicht auflöst, der im Dunklen, also Verborgenen bleibt, und findet ihn gar nicht so weit von sich entfernt irgendwo in der Nähe einer bundesrepublikanischen Autobahn. An dem Ort findet er ein stillgelegtes Werk, das dort einst Kohle abgebaut hat, aber aus nicht näher erläuterten Gründen, wahrscheinlich Unrentabilität, aufgegeben wurde. Dort richtet sich der Ich-Erzähler ein, um ein großes, für ihn wichtiges Kunstprojekt in die Tat umzusetzen:
Bild oder Raum, am Anfang war das noch eine Frage. Was sollte es werden?
Der große Wurf. Ich musste dafür viel verwerfen, vieles zerschlug sich von selbst, zerschellte an den Begrenztheiten der Materie, der Statik, der menschenmöglichen Kraft. In manchen Momenten wusste ich deutlicher als in anderen, wie ich mich überhob, überheben musste. Dann öffnete ich eine Dose Büchsenfraß, wärmte sie über einem kleinen Feuer hinter der Halle und aß mit dem einen Löffel, schlief nach zwei tiefen, puren Schlucken Aquavit ein und fand im glücklichen Fall im Traum einen Zipfel dessen wieder, was mir vorschwebte.
Bald offenbart sich, dass der Ich-Erzähler aus der Kunstmarketingbranche entflohen ist, das marktschreierische Kunstgewerbe, in welchem er brilliert hat, satt hat und sich nun neu erfinden will. Die Örtlichkeit, die in der Lausitz liegt, erweist sich aber als bewohnt. Ein waldschratiger Mensch sucht ihn auf und heißt den Protagonisten unverzüglich zu gehen:
Ich erstarrte, und auch der Schatten, der von hinter mir auf die Wand vor mir fiel, stand so starr, dass ich einen Moment glaubte, er sei mein eigener, der sich losgemacht hatte und mir jetzt entgegentrat. Ich überlegte, ob ich genug getrunken hatte, doch nein, fiebrig fühlte ich mich nicht. Dann räusperte sich eine Stimme, die lange nicht mehr gebraucht worden zu sein schien, länger als meine eigene, die ich räuspern musste, ehe ich antwortete. Hau ab, sagte der Schatten, und weil er aussprach, was ich dachte, war mein Zweifel bezüglich unserer Identität nicht ausgeräumt.
Der Protagonist rauft sich mit dem Schattenwesen zusammen und nennt es Giacometti, wie den Künstler, der hakelige, dürre, ausgemergelte Skulpturen schuf, an die er sich durch seinen Nachbarn erinnert fühlt. Sie raufen sich zusammen, und durch Giacometti erfährt er nun auch, dass sich dort, wo sich das nun stillgelegte Werk befindet, einst ein Dorf befand, das für den Kohleabbau in der Hoffnung auf ein reiches Kohlevorkommen den Erdboden gleichgemacht worden ist. Giacometti trauert seinem Dorf hinterher und am Lagerfeuer sitzend spricht er, wie ein Delphisches Orakel, in einem fort, ohne auf seinen Zuhörer zu achten, von den Bewohnern, Häusern, von den Ereignissen und der verlorengegangenen Geschichte:
Er hatte das Dorf auswendig gelernt, jetzt hielt er es wach und in Farbe mit seinen Häuserecken und Kirschbäumen und Toten und dem veralgten Löschteich, ein Chronist ohne Feder, ein grober, autodidaktischer Prediger für die Waldvögel, die vor seinen Schritten träge flohen, ein Archiv, dessen Bestände fortwährend wiedergelesen und umsortiert werden und zu dem eine einzige Person einen Schlüssel hat, aber nirgends ein Lageplan, Findbuch – Fehlanzeige.
Der Protagonist beschließt eines Tages, dass das neue Projekt ein Papierlabyrinth werden muss, geht zu einer Künstlerin in die Schweiz, lernt dort mit Papier umzugehen und kehrt zurück. Giacometti hat ihn sogar ein wenig vermisst, und das Werk des Protagonisten nimmt nach und nach Gestalt an, derweil die beiden den Ort vor zudringlichem Publikumsverkehr verteidigen. Als dem Protagonisten langsam das Geld ausgeht, nimmt er Kontakt mit seiner Vergangenheit auf, aber hält den Kampf um das ihm zustehende Vermögen nicht durch:
Wo ich jetzt arbeitete? – Ich nuschelte von Selbstständigkeit, von wechselnden Projekten, dem Boom auf dem asiatischen Markt. Dass ich nicht mehr in meiner Wohnung wohnte, wusste sie, ich fragte nicht nach, ob sie dort gewesen war, man würde auch geredet haben, auf der Party irgendeines Tom, immerhin ein Ereignis, wenn einer wie ich plötzlich verschwand, Nein, stélldirvor! Als sie zur Toilette ging, warf ich einen Schein zwischen unsere halb ausgetrunkenen Tassen und floh. Den Termin in der Kanzlei, für den ich gekommen war, ließ ich ausfallen.
Mit den letzten Mitteln kämpft er darum, sein Werk zu vollenden, auch wenn es den kompletten sozialen und finanziellen Ruin bedeutet, und Giacometti hilft ihm dabei auf seine Weise.
Stil/Sprache/Form:
Die Ich-Erzählung von Was ihr nicht seht findet im Rückblick statt. Der Erzähler beschreibt die Vorgänge aus sicherer Distanz heraus und spricht auch sein Publikum direkt an, mit dem er mehr kämpft, als kommuniziert.
Von der Dunkelkammer – so nenne ich sie – rührt sich, wenn ihr (nicht ihr, wann begreift ihr’s endlich!) lange genug verweilt habt, eine Regung, ein winziger Impuls, ein Horchen wie im Innern des Weizenkorns, wenn
ihr’s gern biblisch habt, auf den ersten warmen Regen, und ein leises, aber unnachgiebiges Drängen, ein Jucken, dem Licht zu folgen, das noch kaum erahnbar ist, nicht mehr als ein winziges, bauschiges Grau, das weich im Ausgang liegt, ihn wie mit Goldrand einfasst und lockt, lockt. Komm. Kooomm.
Der Ich-Erzähler gönnt seinem Publikum das Werk, das er in dem Kohleabbauwerk geschaffen hat, nicht. Es gleicht der von der Erde nicht zu sehende Teil des Mondes. Das Werk lebt durch sich und einzig durch seinen Erschaffer und Erbauer hindurch. Formal entspricht dies komplementar dem Dorf Giacomettis, das nur noch in dessen Erinnerungen und Erzählungen anwesend, aber physisch verschwunden ist. Das Dorf für Giacometti, das Papierlabyrinth vom Ich-Erzähler sind Teil eines Lernprozesses, einer Schubumkehr und Emanzipation, einer Loslösung und Verarbeitung. Es bedarf keiner Augen und Ohren, und schon gar nicht marktkonformer Kunsturteile:
Es hat mich lange schon umgetrieben: Dass auf die Schönheit immer folgt, dass eure Blicke auf ihr umhertappen, grapschend und doch nichtig, und schon nach Worten suchen für irgendein Urteil, ein achtlos dahingesagtes Ach im Weitergehen und halb schon wieder auf der Suche nach einem Kaffeelatte, einem Klo oder einem Spiegel. Dass auf die Schönheit immer folgt: der Markt, der nichtswürdige.
Hier nimmt Saiger ein deutsch-romantisches Motiv aus, dem Publikum das eigene Werk nicht mehr gönnen zu können, wie der Goldschmied in E.T.A. Hoffmanns Novelle Das Fräulein von Scuderi oder wie derselbe es in Ritter Gluck formuliert: „ich verriet Unheiligen das Heilige“. Zersprengt wird die lyrisch-ornamentale Erzählung, die in vielen Passagen an die Wortschöpfungen und Atmosphäre Leona Stahlmanns in Diese ganzen belanglosen Wunder erinnert, durch Kunstreflexionen wie das obige Zitat und auch durch Beschreibung, Produktionsweisen und optische, akustische und physikalisch-chemische Eigenschaften von Papier, die in Sachbuchmanier und abgesetzt vom Fließtext wie ein Gedicht abgedruckt sind:
- – Berstfestigkeit/Berstwiderstand: Druck in kPa, dem ein Substrat nicht mehr standhält; abgeleitet wird der Berstfaktor (= Druck durch Grammatur).
- –Spaltwiderstand/Spaltfestigkeit: Widerstand, den Papier, Karton oder ein Verbund einer senkrecht einwirkenden Dehnung oder einer Schiebebewegung (Scott-Bond-Test, Brecht-Knittweis-Spaltwiderstand) entgegensetzen.
- –Randschrumpf
- –Rupffestigkeit
- –Schnittkantenqualität
Diese Abschnitte verorten den Stil und die Erzählweise von Was ihr nicht seht in den Surrealismus und Dadaismus, denn das entrahmte Kopieren von Sachbuch-Fundstücken gleicht einem poème trouvé, das auf Kollage und Montage rekurriert und in Verbindung mit Marcel Duchamp Ready-Mades steht, indem es wie Kurt Schwitters und Ernst Jandl Ausschnitte und Zitate aus der Werbung oder der Tagespresse zweckentfremdet und so neu zu Bewusstsein bringt. Hier schafft Saiger das Bewusstwerden des Papiers in den Händen, das Blättern, das Lesen der Tinte, der Schwarzweißfiguren als Buchstaben auf den Seiten und gibt der Lektüre eine hintergründige doppelbödige, nicht auf Dauer abzielende Note:
Die Falte hat sich wieder geschlossen.
Bis dahin hat – für eine Nacht und einen dreiviertel Tag – Das Werk bestanden; unerkannt, unbewertet, unbesehen, ungeahnt, nur für sich mit allen Möglichkeiten, die es enthält, alle Möglichkeiten des nie geöffneten Briefs, der verschlossenen Bibliothek (oder der vom Vulkan verschütteten), die Freiheit des Gesprächs mit jemandem, der kein Wort eurer Sprache versteht, die Wunder der Black Box, das Werk, das
alles!
sprengt!
Der Kollage- und Reflexionscharakter lässt zeitweilig das Narrative in den Hintergrund rücken, und Saigers Roman wird so mehr und mehr zu einer Art dadaistischen Spielzeug, das dem eigenen Kunstbegriff neuen Freiraum verschafft.
Kommunikativ-literarisches Resümee:
Trotz narrativer Geschlossenheit besitzt Was ihr nicht seht keine charakterlogische Dringlichkeit. Die Figuren erscheinen als Platzhalter für Ideen, als Anknüpfungspunkte, um zu erinnern und zu reflektieren, als Spielmarken bestimmte Metaphern zu inszenieren. Es besitzt zeitweilig sogar Thesenromanform und erinnert an textgattungsübergreifende Experimente wie Carl Einsteins Bebuquin oder die Dilettanten des Wunders. Vor allem scheint sie an Einsteins Selbst- und Eigenentwürfen anzuschließen, der bspw. in dem Gedicht Die Stadt der Langeweile schreibt:
Ich wünschte mein Herz wäre alt genug die Langeweile zu vergessen, die an jeder Bewegung gierig sich vergrößert.
Carl Einstein aus: „Werke – Band 4“
Der Krieg, die Konvention, die Stiftung, die Konkurrenz; alles Bestätigung einer wachsenden Langeweile, die mit unserer Kleinheit uns erschlägt.
Dort war die Kraft des Gemeinplatzes in jugendlicher Einsamkeit grauer gefaßt; dort hat uns der Anstand; dann die Versuche zum geschäftigen Bürger zu und bei allem – die ungläubige Langeweile.
Man baute ihr Kontinente, gründete ihr Theater und Ballets […]
Ganz im Sinne der Einsteinschen Avantgardekritik, ganz im Sinne desjenigen, der an seinem eigenen Talent irre wird, sogar nicht vor Gewalt zurückschreckt, reflektiert Saiger in Was ihr nicht seht einen profitbetriebenen Kunstmarkt, der nur noch Kunst in der Unsichtbarkeit zulässt. Sie schlägt im Klang sehr ähnliche Töne wie Thomas Hettche in Sinkende Sterne an, das auch zeitweilig in der Schweiz spielt, das auch einen Aussteiger, der an Fieber erkrankt, zur Hauptfigur erwählt, in welchem ebenfalls Dörfer verschwinden und altertümliche Kirchenglocken läuten und eine Rückkehr zum einfachen Leben, obgleich in sich gebrochen, zelebriert wird. Mehr noch aber als mit Hettche teilt Saiger in ihrem Roman die sanfte, gelassene Erzählweise von Joshua Groß in Prana Extrem:
Obwohl diese Epochen noch gar nicht lange vorbei waren, langweilten sie uns massiv, hauptsächlich, weil in dieser Institution offenbar niemand kapiert hatte, dass es, um beispielsweise mit Fler zu sprechen, immer auch um Entertainment geht, vor allem wenn man Steinwerkzeuge und Keramiken aus der mittelfränkischen Chamer Kultur der Jungsteinzeit präsentiert. Wir fühlten uns tranig. Vielleicht fühlten wir uns sogar verraten. Wie sollten wir mit allem, was auf diesem bedrohten Planeten bislang passiert war – an Leben, Sterben, Abgründen und Umstürzen –, in Verbindung treten, inmitten all dieser Zurückweisung, inmitten all dieser Entmündigung von Energie?
Joshua Groß aus: „Prana Extrem“
Saigers und Groß‘ Romane besitzen viele ähnliche Motive, bspw. einen Museumseinbruch, eine ähnliche zurückhaltende Erzählweise, eine sehr leichte Form der Prosa, die beschwingt, unangestrengt, dennoch differenziert und, im Gegensatz zu Hettche, zeitgemäß Stellung zu kursierenden ästhetischen Problemlagen nimmt. Beide haben die Kunst noch nicht aufgegeben. Beide sehen noch die Wunder, den Mond, die Meteore, große Libellen oder schnaufende Igel, und wollen sich nicht von dem alles vereinheitlichenden Räderwerk der Postmoderne durch die Mangel drehen lassen. Lieber steigen sie aus:
Ich aber war zu weit hinausgeraten. Dass ich ein Schiff bestieg, brachte nur in äußerliche Übereinstimmung, was ich längst war: hinausgedriftet, abgetrieben, in keinem Hafen mehr zu vertäuen. Dies alles war keine Pause, keine – wie sagt ihr immer: Auszeit. Ich höre von dem Wort nur das Aus, und Zeit ist danach nicht mehr, was sie war. Wenn das eine Auge einmal gesehen hat, was das andere sieht, muss es für den Rest des Lebens an dem Schock der fremden Perspektive blinzeln.
Obgleich narrativ in fragwürdiger Komposition besitzt Was ihr nicht seht Dringlichkeit, Intensität und Perspektive. Hier schwimmt sich ein Erzähler frei. Er schwimmt weiter, als er sich zugetraut hätte, weiter hinaus ins offene Meer hinein, neuen Horizonten und Kontinenten entgegen, um sich neue Freiräume zu erarbeiten, und riskiert alles, seine Vergangenheit, seinen Reichtum, seine Bekanntheit, seine Bequemlichkeit. Dieser Wagemut spiegelt sich wider in Magdalena Saigers Erzählduktus, der selbstbewusst, zielsicher eine Welt umgestaltet, die einfach viel zu langweilig geworden zu sein scheint.
Leider gelingt diesem nicht ganz das Kunststück von Thomas Kunst in Zandschower Klinken, der in selbiger Region fröhlich Kunst in der Unsichtbarkeit und Geselligkeit feiert und sich nicht im geringsten mehr um Wirkungsmacht seiner Worte schert. In Magdalena Saigers Was ihr nicht seht bleibt ein letzter Rest undurchdrungener, rastloser Rachsucht übrig, der, wie das Ende zeigt, gar nicht mehr vonnöten gewesen wäre.
Ich bedanke mich sehr herzlich beim Edition Nautilus Verlag, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.
tl;dr … eine Kurzversion der Lesebesprechung gibt es hier.
Nächste Woche auf Kommunikatives Lesen lese ich im Rahmen des Das Debüt-Literaturpreises von Viktor Gallandi Kaspar.

Guren Tag, Alexander, du ziehst wieder sehr interessante Querverbindungen. Allmählich werden durch dich Rezensionen zu einer eigenen Literaturgattung, die ich genieße, ohne dass ich unbedingt auf der Suche nach neuer Lektüre wäre. Hast du schon mal daran gedacht, deine Texte in Buchform zusammenzufassen?
Danke, liebe Ule, ich nehme die Texte als Basis zu Reflexionen, zur Schärfung des Sprachbewusstseins und Überschreitung meines eigenen Erwartungshorizontes. In diesem Sinne versuche ich meiner Liebe zur Literatur indirekt Ausdruck zu verleihen. Das ist mir fast geheimnisvoll genug. An eine Buchform denke ich nicht – diese beinahe unsagbare Flut der Wörter zu nähren. Ich finde diesen Austausch, dieses ruhige Schreiben sehr schön, und dafür habe ich sehr deinen Kommentaren und der fröhlichen Stimmung im Austausch über Literatur zu danken!! Viele Grüße!!
Der Dank ist ganz auf meiner Seite, lieber Alexander. Was auch immer du daraus machst, jedenfalls finde ich deinen Umgang mit Leseerfahrungen bewundernswert und auch für deine Gäste hier sehr wertvoll. Jeder Autor, jede Autorin kann froh sein, wenn sich jemand so um sein/ihr Werk bemüht.
Das ist das schönste Kompliment, das du mir machen kannst. Ich gebe mir wirklich Mühe und ich bin dankbar für die Mühe all jener, die Sprache literarisch und kommunikativ auszureizen versuchen, die dieses Spiel mit Phantasie und Freude an der Offenheit wieder und wieder neu beginnen.
Genau: Buchform. Tu das 🙂
Es passiert, was passiert. Mich freut es, wenn ich von dir höre – deine Assoziationen nachgehe, mein eigenes Lesen befeuern kann 🙂
Für mich sind deine Rezensionen Leseersatz, denn ganze Bücher tue ich mir selten noch an, und eine deutschsprachige Buchhandlung gibt es hier herum sowieso nicht.
Zu diesem Buch, soweit es für mich durch deine Besprechung sichtbar wird: das von niemandem gesehene Kunstwerk ist und ist nicht, denn es existiert fast nur innerlich.
Was aber ist das „vermarktete“ Kunstwerk, über das unendlich viele indifferente Blicke gleiten? Es ist und ist nicht: es existiert fast nur äußerlich.
In beiden Fällen ist das Besondere des Kunstwerks verfehlt: dass es über sinnlich Gestaltetes und Wahrnehmbares Innerliches zu Innerlichem transportiert. Kunst teilt Innerliches des Künstlers mit, indem er Äußerliches formt, und so kann der Betrachter Kontakt zu dem fremden Innerlichen des Künstlers aufnehmen. Kompliziert ausgedrückt, aber ich kanns grad nicht besser sagen.
Ich finde es sehr schön ausgedrückt – das Transzendentale im Immanenten, die Ästhetik als Brücke, die auf unsichtbaren Pfosten geruht und dennoch Verständnis ermöglicht. Kunstproduktion wie -rezeption gehen Hand in Hand, nähren und ermöglichen sich gegenseitig. Nur wo gut gelesen, wo gut gehört wird, wird auch auf Dauer gut geschrieben, gut gesprochen. Selbst eine Art freundlich-gesonnener Leser zu sein, selbst die Hoffnung zu intensivieren, dass Literatur auf interessierte Gemüter stößt – das ist einer meiner Gründe für den Blog. Das meiste Geschriebene ahnt nicht einmal mehr mit einem Publikum – es ist beinahe erschreckend gespenstisch leer im Raunen und Suchen. Saigers Roman besitzt diese Gespenstigkeit. Es traf einen Nerv bei mir. Ich denke, es würde, sollte es dir in die Hände fallen, sogar gefallen 🙂 Viele Grüße und Danke für den Kommentar!!
Die zunehmende Gespenstigkeit unseres Lebens – ich versuche es in Worte zu fassen, zu malen, zu ergründen, kürzlich auch in meinem Beitrag zur Impulswerkstatt (Myriade), Thema Dekonstruktion. Dass die Grenzen zur Anderswelt (Vorwelt, Verstorbene, Geister, Illusionen, Göttlichem, Dämonischem) durchlässiger werden nach einer Phase, als wir es uns in der Rationalität der Wissenschaften recht gequem gemacht hatten, , ist ja an sich kein Schaden, aber es trifft uns wehrlos, ohne bewährte Interprätationsrahmen, ohne verlässliche Kommunikationscodes, und treibt uns vor sich her und auseinander, „jeder für sich und Gott gegen alle“ (Hauser-Film), in seine individuellen Himmel und Höllen. Das ist wohl auch das Thema dieses Autors.