
Wer die alten Jerry-Cotton-Romane kennt, weiß, wie beliebt diese waren und noch immer sind. Sie zeigen distinguierte Männer von Schrot und Korn, die Frauen in Notlagen retten, kein Abenteuer scheuen und keinen Drink ablehnen. Martin Suter schreibt in dieser Tradition. Sein letzter Roman Einer von euch fiel in der Feuilletonkritik durch. Es hieß, es sei „ein richtig schlechtes Buch“.
Melody findet günstigere Aufnahme. Gerhard Matzig (Süddeutsche Zeitung) sagt: „Mit zwei, drei Sätzen wird Tom lebendig, eine vielschichtige Figur, für die man sich interessiert. Suter erzählt glänzend. Ein paar wenige Striche reichen ihm. Weil die Striche sitzen. Es ist wie mit einem guten Krawattenknoten.“ Und Monika Willer (Westfalenpost) schreibt: „Martin Suter gilt als Meister einer eleganten Feder, die so fein geschliffen ist, dass man die Stiche oft erst hinterher spürt.“ Einhellig also die Meinung, die Tanja Kewes (Handelsblatt) wie folgt zusammenfasst: „Martin Suter ist eine der großen Figuren des Literaturbetriebs.“ Selbst- und Fremdinszenierung liegt dem Autor Martin Suter in der Tat:
Tom hatte Stotz gegoogelt. Er war einst eine wichtige Persönlichkeit gewesen. Nationalrat. Mitglied der liberalen Wirtschaftspartei, Königsmacher und Geldgeber. In der Wirtschaft spielte er eine große Rolle als Banken-, Versicherungen- und Maschinenindustrie-Verwaltungsrat. Daneben war er Kunstmäzen und langjähriges Mitglied des Verwaltungsrats der Oper und dessen Präsident während elf Jahren.
Martin Suter aus: “Melody”
Inhalt/Plot:
Der Protagonist von Melody heißt Tom Elmer, der vom besagten Peter Stotz, steinreich und steinalt, auf dubiose Weise angestellt wird, einen sogenannten Nachlass zu verwalten. Tom ist jung und braucht das Geld, zumal sein Vater, aufgrund einer jahrelang verheimlichten Überverschuldung sich aus einem fliegenden Flugzeug gestürzt hat und nun nicht mehr für den Art déco-Lebensstil seines Sohnes aufkommen kann.
In London hatte er seine Freude an Art déco entdeckt. Eine Studienkollegin – und ein bisschen mehr als das – aus sehr begütertem Haus hatte ihn auf den Geschmack gebracht. Es war allerdings, trotz der Großzügigkeit seines Vaters, eine Leidenschaft, die seine Mittel überstieg, wenn sich auch im Nachhinein die paar Stücke, die er sich geleistet hatte, als gute Investition herausstellten. Sie hatten sich auch in schwierigen Zeiten zwar mit etwas Verlust, aber doch zu einem annehmbaren Preis verkaufen lassen.
Tom zieht bei Stotz ein und bekommt von ihm viele Geschichten, viel Alkohol und viel Essen aufgetischt. Stotz lebt in einer Villa mit vielen Zimmern und Geheimnissen und beinahe in allen Zimmern findet sich eine Spur einer geheimnisvollen muslimischen Schönheit: Melody. Um Melody dreht sich auch alles, das ganze Leben von Peter Stotz, der Tom beauftragt hat auszuwählen, was für die Nachwelt erhalten bleiben soll und was nicht, aber letztlich zu dem sehr einfach Schluss kommt:
Lächelnd dachte Dr. Stotz darüber nach. »Du hast recht, wir sind auf dem Grundsätzlichen aufgelaufen: Was war wichtig und was nicht? – Ehrlich gesagt: Eigentlich war nichts wichtig.«
Er schwieg und fügte ernst hinzu: »Außer Melody. Außer ihr.«
Behutsam sagte Tom: »Also eigentlich alles in den Schredder.«
Dr. Stotz nickte langsam. »Alles. – Nur sie nicht.«
Toms Aufgabe stellt sich also als denkbar einfach und übersichtlich heraus. Er muss alle Dokumente schreddern, in denen Melody nicht vorkommt, die mit Melody nichts zu tun haben. Der erzählerische Plot spannt sich nun darum, dass Stotz nur nach und nach mit der Sprache herausrückt, was es mit Melody auf sich hat. Das Buch hat insgesamt drei Teile. Im ersten Teil erzählt Stotz, wie er Melody kennenlernt und sie plötzlich, kurz vor der Hochzeit verschwindet. Im zweiten Teil, wie Stotz auf der Suche nach Melody geblieben ist bis zu seinem Tod, der für Tom und Laura, Stotz‘ Großnichte, überraschend eintritt. Der dritte Teil spinnt nun die Geschichte weiter. Tom und Laura bringen Licht in Melodys Verschwinden und finden, millionenschwer durch Stotz‘ Erbe, problemlos zueinander:
[Laura] lag mit ausgebreiteten Armen und etwas gespreizten Beinen auf dem Rücken, öffnete die Augen und sah [Tom], wieder ruhig atmend, dort unten liegen.
»Schaust du mir gerade zwischen die Beine?«
»Ja.«
»Dazu kennen wir uns zu wenig.«
»Das versuche ich gerade zu ändern.«
Laura lachte. Doch sie behielt ihre Stellung bei. Nach ein paar stillen Minuten kroch er neben sie. Sie legte den Kopf auf seine Schulter, er hielt sie fest.
Das Szenario, alter weißer Mann verliebt sich in zwanzig Jahre jüngere Muslimin, die den Ehrenmord aus ihrer Familie befürchten muss und deshalb in einer Nacht-und-Nebel-Aktion flieht, spannt seinen Bogen zwischen der High-Society in Zürich und den Expats in Singapur, sowie zu einer etwas abgelegenen griechischen Insel, wo das Buch auch in einer Art Showdown für Wahrheit und Dichtung zwischen Tom und Laura endet.
»Und was mache jetzt ich? Ich meine, mit meiner Arbeit. Kehre ich das alles unter den Teppich?«
»Dein Job ist es, seinen Nachlass so aufzubereiten, dass die Nachwelt darin den sieht, als der er erscheinen wollte. Dein Umgang mit der Wahrheit dürfte somit klar sein.«
»Schon. Aber bin ich dazu bereit?«
»Du warst es ja bisher auch. Hat sich die Fiktion geändert, nur weil sich die Wahrheit geändert hat?«
In diesem Sinne verquickt Suter in Melody eine Art Romeo und Julia-Liebesgeschichte mit einem Verbrecher-, Kriminal- und Detektivroman, garniert mit vielen Details, wie sich an allen Orten und Plätzen dieser Welt gut essen und gut trinken lässt.
Stil/Sprache/Form:
Suters Sprache kommt denkbar einfach und flüssig daher. In kurzen Sätzen, kurzen Abschnitten, mit einfachen Worten werden übersichtliche Situationen beschrieben. Für Details bleibt nicht viel Zeit. Der Plot treibt an. Ein Cliffhanger-Satz folgt auf den anderen:
[…] Dr. Stotz nahm einen Schluck und stellte das Glas zurück. »Das ist eine lange Geschichte. Ich werde sie Ihnen nicht ersparen können. Aber nicht gleich jetzt.«
[…] Dr. Stotz stemmte sich aus seinem Bürostuhl und angelte sich den Rollator. »Bitte entschuldigen Sie mich. Ich schlage vor, Sie beginnen im Archiv unten. Ich erwarte Sie um zwölf Uhr fünfzehn zum Mittagessen. Dann werde ich Ihnen Ihre drängendste Frage beantworten.«
[…] Mit einem Ruck richtete sich Dr. Stotz auf und war wieder da. »Mehr ein andermal.«
[…] Es war ein trauriger Abschied von Melody. Ich wusste nicht, dass es kein endgültiger war.
[…] »Was ist denn passiert?«, fragte Tom.
Mariella trocknete sich mit dem Schürzenzipfel die Augen. »Ach, es ist eine traurige Geschichte.«
Tom sah sie erwartungsvoll an. Sie zögerte. »Der Dottore wird sie Ihnen erzählen.«
Diese Sätze stehen stets am Ende des Kapitels. Sie halten mit der Geschichte, die in die Länge gezogen wird, hinterm Berg. Offenkundig, das geben die ersten zwei Teile des Romans klar zu erkennen, will der Autor sein Feuerwerk nicht sofort verschießen. Sprache, Beschreibungskraft, Situation und Atmosphäre, ja, Vielschichtigkeit der Personen scheinen, selbst für den Autor, nicht genug Grund für ein Weiterlesen zu bieten. Um also nicht allzu schnell auf des Pudels Kern zu kommen, wird die Handlung von Ess- und Trinkgelagen unterbrochen, die besagte Mariella in einem fort serviert:
[…] Punkt zehn Uhr brachte Mariella Brot, Fleischkäse am Stück und Bier.
[…] Mariella brachte die Vorspeise. Ravioli aus hauchdünnem Teig, gefüllt mit Sellerie, übergossen mit Olivenöl und großzügig bestreut mit Parmesan.
[…] Im Kamin brannte jetzt ein Feuer, sie setzten sich davor, und Mariella brachte den Espresso und schenkte ungefragt zwei Cognacs ein.
[…] Mariella brachte eine Platte, auf der ein Braten, garniert mit ganzen gedünsteten Zwiebeln und feinen Zitronenschalenstreifen, angerichtet war.
[…] Mariella tischte zur Vorspeise gedünstete Catalogna mit Mozzarella di bufala und Sardellen auf und als Hauptgang Pasta e fagioli mit Miesmuscheln.
[…] Es war zehn Uhr, die Zeit, in der Mariella jeweils den Imbiss brachte, den Tom jedes Mal ablehnte und dann doch verschlang. Diesmal brachte sie ein Tablett mit zwei Tassen und zwei Tellerchen, auf denen ein Stück Kuchen mit Schlagsahne lag. »Du hast Glück, Laura«, sagte Mariella, »Dolce Basyma. Mit Kastanienhonig, Walnüssen und getrockneten Feigen.«
Form und Stil zeigen sich als sehr loser Verbund rundum die spärliche Story, die jedoch zumindest offensichtliche Auflösungen vermeidet. Suters Stil bleibt bis zum Ende repetitiv, um vielleicht Wiedererkennungswert sicherzustellen:
Es klopfte, und Roberto führte Frau Favre herein. Eine sehr schlanke, zarte ältere Dame. Ihre Haut so transparent, dass das blaue Adernetz durchschimmerte. Die hohen Bleistiftabsätze, die stolze Haltung und die Turmfrisur aus den Sechzigerjahren ließen sie größer erscheinen, als sie war. […]
Mitten in die Berichterstattung klingelte es, und Frau Favre stand vor der Tür. Zweiteiliges rosa Kleid, Bleistiftabsätze, geschminkt und mit unberührter Turmfrisur. Mariella nahm ihr den Schirm ab. […]
Das schriftstellerische Kochrezept eines Fortsetzungsromans scheint unverhohlen durch: Unheimliche Schritte im Haus, seltsame Andeutungen von Stotz, ein geheimer Geliebter Melodys, eine mysteriöse Gestalt, ein skeptischer Polizist und ein plötzlicher Tod. Es gibt nichts, was den neuen Roman von Martin Suter von Dreigroschenromanen unterscheidet, bis auf die durch Weinsorten, Autohersteller und diverse Verköstigungsweisen und namentliche Nennung von Markenprodukten gestreckte Länge des Buches.
Resümee/Kommunikativ-literarische Einbettung:
Martin Suters schreibt anders als Michel Houellebecq in Vernichten und Heinz Strunk Ein Sommer in Niendorf ganz ohne Selbstironie. Auch gibt er sich nicht selbstmitleidig wie Emmanuel Carrère in Yoga oder versöhnlich wie Martin Walser im Das Traumbuch. Noch weniger bemüht er sich wie Robert Menasse in Die Erweiterung verkopft zu wirken. Er schreibt im selben Tonfall wie Ferdinand von Schirach in Nachmittage. Vor allem aber versteckt er die Herkunft seines Schreibstils in Melody nicht. Zwar ist der herkömmliche Jerry Cotton-Roman aus der Ich-Perspektive geschrieben, aber er besitzt denselben Ton, dieselbe Stimmung, diese souveräne, distanzierte Betrachtungsweise sich und der Welt gegenüber, die auch Suter mit Tom und Stotz zelebriert. Auch die Vorliebe für hohe Absätze eint diese Form der Romane:
»Jawohl, Sir!« Auf bleistiftdünnen Absätzen trippelte sie hinaus. Hywood rieb sich zufrieden die Hände.
aus: Jerry Cotton – Heft 0163 “Um das Leben meines Freundes willen”
»Vier Jahre«, erklärte er, »vier Jahre habe ich hier im Bau Stunk machen müssen, bis ich gerade diese Sekretärin bekam. Sie hat das beste Gedächtnis im ganzen Haus.«
Bis hinein in die Wortwahl gleichen sich Tempo, Rhythmus und Färbung der Narrationswelten, nur dass es eben in den Jerry Cotton-Heften härter zur Sache geht, Mord- und Totschlag direkt zur Sprache kommen und eine gewisse inhaltliche Brisanz erzeugen, die bei Suter völlig fehlt, da es nicht zur Altherrenruhe passt, die kein Wässerchen mehr trüben kann, aber auch solche Szenen gibt es bei Jerry Cotton zuhauf.
Lieutenant Harvey war ein straffer, energisch wirkender Mann von gut fünfundvierzig Jahren. Er runzelte nur die Stirn, als unser seltsamer Aufzug bei ihm im Office aufkreuzte. Die Schreibtischlampe brannte, und Harvey schien die ganze Nacht über Akten durchgearbeitet zu haben, denn der große Aschenbecher neben der Lampe war bis obenhin gefüllt mit Asche und einem wahren Berg von Zigarettenstummeln. Trotzdem sah Harvey nicht müde aus.
aus: Jerry Cotton – Heft 0161 “Zuletzt wimmern sie alle”
Bei Suter klingt es wie folgt:
Dr. Stotz saß hinter einem mächtigen Mahagonischreibtisch, auf dem sich Akten stapelten, bewacht von Ebenholzschnitzereien aus aller Welt. Sein Chef sah von seinem Buch auf und legte die Lupe zur Seite. »Das ist Ihr Platz.« Er deutete auf den Schreibtisch mit Glasplatte, dessen Stirnseite an die des Mahagonischreibtisches anschloss. Ein Computer stand darauf.
Sprache und Inhalt unterscheiden sich nicht. Das Schreiben zielt auf ein schnelles und oberflächliches Lesen ab, da viele Details, viele Nebensätze nicht einmal im Ansatz mit Situation und Handlungsverlauf oder der Charakterisierung von Personen zu tun haben. Der springende Punkt, was ist mit Melody geschehen, bleibt im Fokus und hält alle Figuren in seinen Bann:
»Hat er dir [Melodys] Geschichte erzählt? Ist sie nicht furchtbar traurig? Und furchtbar romantisch?« »Er ist dabei, sie zu erzählen. Ich weiß nicht, wie sie weitergeht. Und wie sie endet.« »Sie hat noch nicht geendet. Sie wird nie enden.« »Erzähl.« Laura schüttelte den Kopf. »Er wird sie dir erzählen. Ich kann ihm stundenlang zuhören. Du auch?«
Eigenartigerweise nimmt Stotz‘ Erzählen nur einen geringen Raum in Melody ein. Die Erzählung, die Spannung bleibt im Hintergrund wie die Figur Melodys selbst. Sie wirkt als Projektionsfläche, als Fiktion innerhalb der Fiktion, um das eigene, im Grunde als langweilig empfundene Leben interessant zu gestalten. Suter erzählt also von einem Leben, das von Stotz, das sich selbst als so langweilig empfunden hat, dass es sich eine Lebenslüge erspinnen musste, um weitergehen zu können.
Stotz‘ Leben dient, auf seine verspiegelte, postmoderne Art und Weise, als Allegorie auf ein Schreiben, das im Plot nur noch die Entschuldigung sehen kann, seitenweise Luxus- und Markengegenstände anzupreisen. Martin Suter schreibt über ein verheißungsvolles Versprechen, das sich weder erzählerisch, erzähltechnisch noch biographisch oder romantisch einlöst und dessen Ausbleiben und dadurch entstehende inhaltliche Sinnleere nur mittels Armagnac, Dolce Baysma, Sherry, Jakobsmuscheln und Blanc-de-Noir-Flaschen sowie Jaguar-Fahren übertüncht werden kann. Vor diesem Hintergrund wird der zentrale Satz vom Königsmacher Peter Stotz verständlich:
»Der Tod an sich ist nicht schlimm.« Tom erschrak über diesen unvermittelten Satz. Dr. Stotz musste es ihm angesehen haben, denn er lächelte. »Ich weiß, alte Männer, die über den Tod sprechen, sind für junge Männer fast noch schlimmer, als wenn sie über Sex reden, verzeih. Aber die Aussage stimmt: An sich ist der Tod nichts Schlimmes. Nur das Timing kann schlecht sein.«
Das Motto lautet: Abtreten, wenn’s am Schönsten ist. Trister und abgeklärter lässt sich in der Tat kaum über ein sinnfreies Leben, das sich ausschließlich von Genuss zu Genuss hangelt, schreiben. Suter ist es jedenfalls in Melody, ohne einen Hauch von Ironie und Humor, eiskalt gelungen. Wem das zu trocken ist, kommt mit Hans-Ulrich Treichels Tristanakkord vielleicht mehr auf seine Kosten.
tl;dr … eine Kurzversion der Lesebesprechung gibt es hier.
Nächste Woche am 16. Mai 2023 auf Kommunikatives Lesen:
Olga Tokarczuks neuester und erster Roman nach dem Literaturnobelpreis Empusion.
Eine Kurzversion der Besprechung und noch andere aktuelle Kurzrezensionen findet sich vorab bereits hier.
Fast schade um die Zeit und Sorgfalt, die du in deine Besprechung gesteckt hast, Alexander. Trotzdem habe ich deinen Text mit Genuss gelesen, denn die Kunst zu vernichten, ohne dabei unhöflich zu werden, ist nicht mehr weit verbreitet.
Hätte ich das Buch so empfunden, wie Alexander es hier (in seiner wirklich grossartigen Rezension) beschrieben hat, hätte ich es wohl nicht mal fertig gelesen, geschweige denn, noch so viel dazu geschrieben. Es gibt zu viele gute Bücher (für mich), als dass ich sie vergeude für für andere.
Das ginge mir wohl ähnlich. Zeit zu verschwenden ist beim Lesen besonders schmerzlich angesichts der Fülle großartiger Literatur.
Im Grunde versuche ich ja nur in Worte zu kleiden, was ich während des Lesens empfunden habe. Bei Suter war es eine erschütternde Menge an Deja-Vus, als hätte ich alles stets schon einmal gelesen, und dann habe ich nachgeschaut, und die Sätze doppelten und verdreifachten sich. Sehr eigenartiges Gefühl. Wie bei einer Fahrstuhlfahrt, es ist immer derselbe Jingle zu hören. Ich habe mich sehr gewundert. Nicht dass es sich nicht gut lesen lassen hat, aber passte ich nicht auf, vergaß ich sofort, was. Ich denke, es ist tatsächlich eine Art Werbefilm für einen gewissen Lifestyle. Das passt eigentlich gut. Ich freue mich sehr, dass es nicht unhöflich rüberkommt. Das wäre mir ganz und gar nicht recht. Ich möchte einfach die Kommunikation anbieten, die mir das Buch nahelegt.
Es freut mich sehr, dass dir die Besprechung gefallen hat. Danke für den netten Kommentar 🙂
Ich habe das Buch geliebt, sehr sogar. Ja, es ist keine hohe Literatur. Aber ich fand die Spannungsbögen gut gebaut, den Fluss mitreissend, die Freude am Lesen war da. Der lakonische, knappe Stil, bei dem die Worte am richtigen Ort sitzen, hat mir gefallen. Er mag dem Werbetexter geschuldet sein oder auch den Bezügen, die du aufweist – so oder so: Für mich ein Lesehighlight, rein für den Genuss des Lesens.
Ich bin mir durchaus im Klaren, dass Lesebesprechung ein gewisses und sehr spezifisches Leseereignis beschreiben, und ich bin selbst eher unglücklich darüber, dass Suters “Melody” bei mir nicht gefunkt hat. Meine Besprechung versuchen dann aus dem, was geschehen ist, noch etwas herauszuziehen, es zu kontextualisieren, zu vertiefen. Manchmal aber führt das dann einfach dazu, dass ich verstehe, was mich irritiert hat, ohne dass dadurch das Gelesene sich anreichert. In diesem Sinne wäre ich lieber in deiner Lage gewesen 🙂 Danke für den Kommentar. Ich habe deine Besprechung sehr gerne gelesen und auch gemerkt, wieviel Spaß dir “Melody” bereitet hat. Viele Grüße!!
Auch absolute Verrisse sind bei dir solide mit Zitaten belegt und nachvollziehbar. und – wie Ule schon sagt – höflich- es wird das Buch und nicht der Autor verrissen .
Ich habe von Sutter nur “small world” gelesen und es hat mir damals gefallen. Nachdem ich aber in meinem Leben mit Alzheimer in nähere Berührung kam, stellte ich fest, dass Sutter seine Figur sehr unrealistisch darstellt und die Krankheit verharmlost.
Liebe Myriade, mir bedeutet das sehr viel, genau diese Trennung zu ziehen. Bücher sind für mich Kommunikationen. Sie gelingen manchmal, manchmal gelingen sie nicht. Suters “Melody” verwirrt mich mit seinen Vorschlägen, Ratschlägen und äußerst platten Charakterführungen. Es ist für mich interessant, was ich daran unglaubwürdig empfinde, ich bin, ehrlich gesagt, nicht so richtig dahinter gekommen. Am Ende hatte ich bei “Melody” das Gefühl, dass ich einen wirklich spannenden Plot vermisst habe, der vielleicht einen Clou besitzt – Sprache und Stil erinnerten mich deshalb an Jerry Cotton – ich vermisste auch Sehnsucht, die Ehrlichkeit zueinander, die es nämlich überhaupt nicht in diesem Buch gibt. Alle Figuren belügen sich. Das hallte dann wohl etwas in der Besprechung nach 🙂
Danke für deinen Kommentar. Ich gebe dir recht, in dieser Art über “Alzheimer” zu schreiben, kann nur in Verharmlosung enden. Ich werde “Small World” also nicht lesen, bin aber offen, falls es ein anderes, besseres Buch gibt, das mir den Stil Suters näherzubringen vermag.
Schade, wollte es eigentlich auch noch lesen.
Ich habe gerade “Allmen und die Libellen” von Martin Suter gehört und der Roman / Krimi hat mir gut gefallen, sodass ich den zweiten Teil hier bereits liegen habe. Mal schauen!
Oh nein, so ist die Besprechung nicht gemeint. Der Stil hat sehr viel Repetitives, aber tatsächlich umschifft Suter einen allzu platten Plot – ich würde also nicht sagen, dass “Melody” keinen Spaß machen kann. Es gibt ja sehr viele positive Stimmen zu dem Roman. Ich denke, den meisten gefällt er sehr sehr gut. Mein Leseeindruck war einfach nicht himmelhochjauchzend.